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Gefährlicher Domino-Effekt Wenn die Pflegerin aus Vietnam in ihrem Heimatland fehlt

Länder wie Deutschland und die Schweiz sind auf ausländische Pflegende angewiesen – das löst eine Kettenreaktion aus.

Die Schweiz, Deutschland, aber auch Togo oder Mexiko: Martin Leschhorn, Geschäftsleiter von Medicus Mundi Schweiz, einem Netzwerk von Nichtregierungs-Organisationen im Bereich Gesundheit, spricht von einem weltweiten Mangel an Pflegepersonal.

Stellt die Schweiz die Deutsche an, Deutschland dann die Mexikanerin, komme es zu einer Kaskade: «Gerade in ärmeren und ressourcenschwachen Ländern, wo Menschen etwa durch Tropenkrankheiten wie Malaria von einer viel höheren Krankheitslast geprüft sind, fehlt ebenfalls das Gesundheitspersonal.»

Heute fehlen in Deutschland 200'000 Pflegepersonen. Da wird klar, dass niemand weggehen darf.
Autor: Christine Vogler Präsidentin des Deutschen Pflegerates

Vor einigen Jahren habe Deutschland als Staat Personal in Mexiko, Vietnam oder den Philippinen angeworben, erzählt Christine Vogler. Sie ist Präsidentin des Deutschen Pflegerates. Nun sei es nicht mehr der Staat, aber es seien Institutionen, die noch immer Personal im Ausland rekrutierten.

Dass Deutsche gerne in der Schweiz arbeiteten, sei diesen nicht zu verübeln. Die Arbeitsbedingungen und die Löhne seien offenbar besser als im Heimatland. «Aber jede Pflegefachkraft, die in ein anderes Land geht, fehlt in Deutschland. Heute fehlen in Deutschland 200'000 Pflegepersonen. Da wird klar, dass niemand weggehen darf.»

WHO hat Verhaltenskodex verabschiedet

Die Schweiz beschäftigt rund 190'000 Menschen in der Pflege. Davon hätten rund ein Drittel ein ausländisches Diplom, heisst es beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor einigen Jahren einen Verhaltenskodex verabschiedet. Er sieht unter anderem vor, dass jedes Land so viel Gesundheitspersonal ausbildet, wie es braucht.

Martin Leschhorn vom Medicus Mundi Schweiz wünscht sich verbindlichere Massnahmen. «Es müsste klarer werden, wie die Länder verpflichtet werden könnten, beispielsweise in die Ausbildung von Gesundheitspersonal und das Gesundheitssystem in ressourcenschwächeren Ländern zu investieren.»

Ermutigende Zeichen in der Schweiz

In der Schweiz habe man schon vor einiger Zeit erkannt, dass man mehr Gesundheitspersonal ausbilden müsse, sagt Bernadette Häfliger. Sie leitet die Abteilung Gesundheitsberufe beim BAG. Die Anstrengungen hätten Früchte getragen: «Seit 2012 konnte dank dem Masterplan Bildung Pflegeberufe die Anzahl der Ausbildungsabschlüsse auf allen Stufen erhöht werden. Der Bestand der Beschäftigten hat so in der Pflege um 29'000 Personen zugenommen.»

Dabei handle es sich vor allem um Fachfrauen und -männer Gesundheit, die sogenannten Fages, die eine dreijährige Lehre absolvieren. Nun brauche es aber auch mehr Personal, das an einer höheren Fachschule oder Fachhochschule einen Abschluss macht – mehr Pflegefachpersonen also.

Die Politik hat gehandelt: Sie will rund eine Milliarde Franken in eine Ausbildungsoffensive investieren. Die Pflegeinitiative, die Ende Monat zur Abstimmung kommt, verlangt ebenfalls mehr ausgebildetes Fachpersonal. Sie will aber zusätzlich noch deren Arbeitsbedingungen verbessern.

Rendez-vous, 15.11.2021, 12:30 Uhr

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