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Älter werden während Corona «Das Coronavirus zeigt uns die Endlichkeit des Lebens auf»

Anfang März musste sich die Chefin der Domicil AG für ihre strengen Hygieneregeln rechtfertigen: Den Bewohnerinnen und Bewohnern der grössten Heimgruppe im Kanton Bern wurde verboten, Besuch zu empfangen. Ausnahmefälle gibt es nur für Leute, welche im Sterben liegen. Im Gespräch schaut Andrea Hornung auf diese Zeit zurück und spricht über das Älterwerden in Zeiten des Coronavirus.

Andrea Hornung

CEO Domicil AG

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Vor 30 Jahren ist Andrea Hornung als junge Pflegerin von Deutschland in die Schweiz gekommen. In Biel arbeitete sie lange in einem Spital. Danach war sie nach mehreren verschiedenen Stationen in der Berner Kantonsverwaltung tätig. 2017 wurde sie CEO der Domicil AG. Mit 1700 Mitarbeiter, die sich um über 1600 Bewohnerinnen kümmern, ist die Domicil AG die grösste Betreuerin von älteren Menschen im Kanton Bern. Andrea Hornung lebt mit ihrem Mann in der Stadt Bern.

SRF News: Wie erinnern Sie sich an die Situation Anfang März, als Sie relativ früh strenge Regeln erliessen und dafür auch kritisiert wurden?

Andrea Hornung: Es war natürlich am Anfang eine schwierige Zeit. Ich kann aber sagen, dass viele Leute den Entscheid verstehen konnten. Aber natürlich waren auch viele Emotionen da. Das ist klar. Ich verstehe, dass es für Angehörige schwierig ist, wenn sie plötzlich die Menschen, die ihnen am liebsten und am nächsten sind, nicht mehr sehen dürfen. Rückblickend bin ich überzeugt: Wir haben den richtigen Entscheid getroffen.

Wie ist denn die Situation derzeit in Ihren Institutionen?

Es ist ruhiger als früher. Die Mitarbeiterinnen haben mehr Zeit für die Bewohner. Die Zeit der Begegnung wird viel intensiver wahrgenommen, und ich muss sagen, ich bin unendlich stolz auf unsere Mitarbeitenden – sei es von der Geschäftsleitung bis zur Küchenhilfe. Sie sind sehr engagiert und bemühen sich, den Bewohnerinnen und Bewohnern noch mehr Zuwendung zu geben.

Viele Bewohnerinnen entdecken Fähigkeiten, die sie als längst verloren glaubten.

Es werden kreative Karten gebastelt oder Briefe geschrieben für die Angehörigen. Viele Bewohnerinnen entdecken Fähigkeiten, die sie als längst verloren glaubten: zum Beispiel ein Brief von Hand schreiben.

Haben die Leute Angst?

Nein, aber wir sind alle angespannt.

In Interviews betonten Sie immer wieder, die grösste Herausforderung unsere Gesellschaft sei das Alter. Befürchten Sie, da wir uns derzeit in Krisenzeiten befinden, dass das Thema Alter in der Hintergrund rückt?

Wenn ich sehe, dass unsere Gesellschaft beim Auftauchen des Virus als erstes geschaut hat, wo die am meisten gefährdeten Gruppen sind, stimmt mich das positiv.

Ich sehe Solidarität. Und die ist sehr gross.

Es werden grosse Anstrengungen unternommen, um die besonders gefährdeten Leuten – also gerade die älteren Menschen – zu schützen. Ich sehe Solidarität. Und die ist sehr gross.

Es gibt derzeit Diskussionen, ob man die Massnahmen in der Schweiz nicht wieder lockern sollte, um der Wirtschaft zu helfen. Ein Graben entsteht …

Das befürchte ich nicht. Wie gesagt: Ich erlebe viel Solidarität.

Ist also die Gesellschaft aufgrund der schwierigen und gefährlichen Lage gezwungen, sich mehr mit dem Älterwerden und dem Sterben auseinander zu setzen?

Nicht unbedingt mit dem Altwerden, aber mit der Endlichkeit des Lebens, also mit dem Sterben. Ich denke, es ist wichtig, dass unsere Gesellschaft sich wieder diesem Tabu etwas mehr annähert. Ich empfinde den Umgang mit Sterben und Tod in unserer Gesellschaft tendenziell als Tabu. Und über dieses Tabu wird wegen Corona mehr gesprochen. Das ist gut.

Das Gespräch führte Thomas Pressmann.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17:30 Uhr

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