Montagmorgen, 10 Uhr 10, neben dem Gleis 12 beim Bahnhöfli der Wynental-Suhrentalbahn WSB in Aarau: Nur wenige Sekunden nach der Ausfahrt des Zuges startet Baggerfahrer Jorge seine Maschine und beginnt mit dem Abriss des fast 100-jährigen Hauses.
Bis am Freitag soll das ganze Bahnhöfli der WSB verschwunden sein. In den nächsten drei bis vier Jahren entsteht an dieser Stelle ein modernes Büro- und Wohngebäude und der neue Hauptsitz von «Aargau Verkehr», den vereinigten Regionalbahnen des Kantons.
Das WSB-Bahnhöfli liegt auf der Rückseite des SBB-Bahnhofs Aarau und hat eine bewegte Geschichte. Gebaut wurde es 1924 für die Wynentalbahn WTB. Wie die frühere Aarau-Schöftland-Bahn fuhr auch die WTB zuvor direkt auf den Bahnhofplatz.
1924 fand in Aarau das Eidgenössische Schützenfest statt. Für die vielen Festbesucher wollte man Platz schaffen vor dem Bahnhof. Deshalb wurde die Wynentalbahn auf die Rückseite verbannt und erhielt dort ihr erstes Bahnhöfli. Das hatte auch Vorteile, weiss Mathias Grünenfelder. Der letzte WSB-Direktor blättert in alten Fotoalben und Büchern und berichtet von der Gais-Unterführung, durch welche das Bähnli aus dem Wynental bis 1924 noch fahren musste, was es aber wegen der Steigung nicht immer schaffte.
Es waren andere Zeiten damals. Der Bahnhofvorstand wohnte noch im Bahnhöfli, die Weichen und Signale wurden noch von Hand gestellt, und viele Pendler waren Arbeiter, die in Aarau zur Electrolux oder zur Fabrik Sprecher und Schuh strömten.
1967 erlebte das frühere WTB-Bahnhöfli einen zünftigen Modernisierungsschritt. Neben der Wynentalbahn wurde jetzt auch die Aarau-Schöftland-Bahn hierhin geleitet. Die Regionalbahn erhielt einen Tunnel und musste nicht mehr auf der Strasse durch die Aarauer Innenstadt fahren.
Die beiden Regionalbahnen waren mittlerweile auch organisatorisch zusammengewachsen und zur Wynental-Suhrentalbahn verschmolzen. Um den zusätzlichen Verkehr bewältigen zu können, bekam das WSB-Bahnhöfli ein Mittelperron und eine Unterführung.
Jahr für Jahr nahm der Verkehr am WSB-Bahnhof weiter zu. Immer mehr Menschen stiegen hier ein- und aus. Mit neuen Zügen musste aber weniger rangiert und manövriert werden, weshalb trotz steigender Passagierzahlen die Zahl der Gleise reduziert werden konnte. So konnten die Schienen zwischen WSB-Bahnhof und SBB-Gleisen herausgerissen und die Hintere Bahnhofstrasse ausgebaut werden.
Und nun kommt das fast 100-jährige Bahnhöfli also weg. Mathias Grünenfelder ist nicht wehmütig. Das Gebäude habe seinen Dienst getan, sagt der letzte WSB-Direktor und heutige stv. CEO von «Aargau Verkehr». Mit gemischteren Gefühlen verfolgt Robert Neukomm (links) den Abriss. Der Standortleiter Aarau hat immerhin fast 30 Jahre im WSB-Bahnhöfli gearbeitet. Allerdings sei es eng und dunkel gewesen, meint er, und freut sich schon auf seinen neuen, moderneren Arbeitsplatz.
Übrigens: Von der Spurbreite her mag die kleine WSB immer im Schatten ihres grossen Bruders SBB stehen. Was hingegen die Höhe des Bahnhofs angeht, wird künftig die Regionalbahn die Nase vorn haben. Ihr neuer Bau wird sogar den wuchtigen Bahnhof der Bundesbahn überragen. Vielleicht wird die Rückseite des Bahnhofs Aarau also bald zur Vorderseite?