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Bern Freiburg Wallis Museumsdirektor Frehner reist so schnell wie möglich nach München

Beim Kunstmuseum Bern reibt man sich auch einen Tag nach dem Gurlitt-Vermächtnis die Augen. Klar ist aber, dass die Institution als Raubkunst erkannte Bilder den rechtmässigen Besitzern zurückgeben würde. Würde, denn noch ist nicht klar, ob die Institution die Erbschaft überhaupt antritt.

Dieser Tage reist eine Berner Delegation nach Deutschland, um sich einen Überblick über die Sammlung zu verschaffen. Der Direktor des Berner Kunstmuseums, Matthias Frehner, gilt selber als Experte für Raubkunst. Im Schlepptau hat Frehner aber auch professionelle Verstärkung in Form von Juristen. Das Berner Kunstmuseum werde allfällige Rückgabeforderungen auf jeden Fall respektieren, betonte Frehner am Donnerstag. «Wir wollen nur Sachen, die restlos sicher sind.» Von den weit über tausend Bildern der Gurlitt-Sammlung werden die meisten von einer Taskforce in Deutschland wissenschaftlich untersucht. Er gehe davon aus, dass die Taskforce weiterhin aktiv sei und die Vereinbarungen zwischen Gurlitt und den deutschen Behörden nach wie vor Bestand hätten, sagte der Sprecher der Taskforce, Matthias Henkel, auf Anfrage.

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Alles zu Gurlitts Erbe

Die Herkunftsabklärungen stellten ja auch eine moralische Verpflichtung gegenüber der Geschichte dar, führte Henkel aus. Bei ihrer Arbeit unterscheidet die Taskforce zwischen Raubkunst - also Bildern, die Privatpersonen abgenommen wurden - und «entarteter Kunst». In die letztere Kategorie fallen jene Bilder, die dem NS-Regime nicht genehm waren und aus Museen entfernt wurden. Anders als bei Raubkunst ist der Besitz von «entarteter Kunst» rechtlich nicht problematisch.

Die Deutschen hätten sich damals quasi selbst beraubt und die Bilder aus ihren Museen entfernt, erklärt Frehner. Zahlreiche Museen in aller Welt besitzen solche Bilder, auch das Berner Kunstmuseum. Zur Gurlitt-Sammlung gebe es bisher nicht sehr viele Anträge auf Rückerstattung von Raubkunst. Die Zahl liege seines Wissens im knappen zweistelligen Bereich, führte Frehner aus.

Verkäufe nicht tabu

Frehner hofft, dass das Museum die mit dem umstrittenen Erbe verbundenen Kosten durch die übrigen Vermögenswerte bestreiten könnte, die es als Alleinerbe von Gurlitt ebenfalls erhalten würde. Sollten diese übrigen Werte nicht ausreichen, wäre ein Verkauf von Bildern aus der Sammlung wohl kein Tabu, sagte Frehner. Die Erbschaft sei an keine Auflagen geknüpft. Wenn es nicht anders gehe, könnte in einem solchen Fall wohl auch ein Verkauf geprüft werden.

Bern für Experten eine gute Wahl

Noch immer wird in Bern gerätselt, warum Gurlitt ausgerechnet das Kunstmuseum Bern als Alleinerbin eingesetzt hatte. Ob Gurlitt um Frehners Expertise auf dem Gebiet der Raubkunst wusste, ist ebenso offen wie die Vermutung, der Kunstsammler habe sich vor einigen Jahren von einer Ausstellung Schweizer Kunst begeistern lassen. Klar ist, dass das Kunstmuseum und Gurlitt keinerlei Beziehungen gepflegt hatten, wie Frehner bereits am Mittwoch klar gemacht hatte.

Hingegen kannte Gurlitt die Berner Galerie Kornfeld, die verschiedentlich Bilder aus seinem Besitz versteigert hatte. Ob diese Bekanntschaft Gurlitt inspiriert hatte, ist ebenfalls offen, die Galerie äussert sich dazu nicht.

Für Experten der Kunstszene ist es jedoch keine Überraschung, dass Gurlitt seine Sammlung Bern vererbt. Norberto Gramaccini, Professor für Kunstgeschichte der Uni Bern: «Paul Klee war für den jungen Gurlitt ein Reverenzpunkt.» Zudem habe Bern nach dem Zweiten Weltkrieg in der Kunstwelt eine wichtige Rolle gespielt, so Gramaccini gegenüber dem «Regionaljournal Bern Freiburg Wallis» von Radio SRF.

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