In den Berichten stehen teilweise noch nicht bekannte Details zur Reitschule aus Sicht der Polizei. So schreibt sie etwa, sie habe bei Lärmklagen aus der Nachbarschaft im vergangenen Jahr 53 mal über das Kontakttelefon den Kontakt zur Reitschule gesucht. Nur acht mal sei das Telefon beantwortet worden. Dabei habe dann teilweise «Einfluss auf den Lärm genommen werden können.»
Zahlen und Vorwürfe
Weiter sind Vorfälle von Gewalt und Drohung, Tätlichkeiten und Diebstählen aufgelistet und teilweise im Detail beschrieben. So seien im letzten Jahr 18 mal Flaschen auf Polizei oder Sanität geworfen worden, vier Polizisten seien bei Angriffen verletzt worden.
Täglich würden auf dem Vorplatz der Reitschule Drogen gehandelt, schreibt die Polizei in ihrem Bericht von Ende 2014. «Bei Aktionen und Kontrollen der Polizei flüchten Dealer in die Reitschule. Des Öfteren wird hinter ihnen das Tor zur Reitschule geschlossen und die Nacheile der Polizei somit aktiv verhindert.» Der hausinterne Sicherheitsdienst der Reitschule arbeite gegen die Polizei und erschwere die Situation erheblich.
Die Regionalpolizei Bern wirft Reitschulbetreibern und -besuchern vor, auch bei Gewaltdelikten gegen Menschen nicht bereit zu sein, mit der Polizei zumindest minimal zusammenzuarbeiten. Nur in ausserordentlichen Situationen habe die Interessengemeinschaft Kulturraum (IKuR) Reitschule beziehungsweise der Sicherheitsdienst in den letzten Jahren eine polizeiliche Intervention «kurzfristig geduldet».
Vorschläge für Verbesserungen
Die Regionalpolizei macht auch Vorschläge zur Verbesserung der Situation. So könnte etwa der Eisenbahnviadukt bei der Reitschule umgenutzt werden, findet sie. «Dadurch entstünde eine Trennung zwischen Schützenmatte und (...) Vorplatz.» Und der Polizei schwebt eine aufsuchende Jugendarbeit vor.
Die IKuR sollte nach Ansicht der Polizei für den Reitschul-Vorplatz ein Sicherheitskonzept ausarbeiten, «welches dem heutigen Standard entspricht». In den beiden Berichten - unterzeichnet von Manuel Willi, dem Chef der Regionalpolizei Bern - heisst es auch, «ein gemeinsam abgesprochenes und verbindliches Vorgehenskonzept zwischen dem Gemeinderat, dem Regierungsstatthalteramt und der Kantonspolizei wäre wünschenswert.»
Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät sagte dazu auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA, der Gemeinderat prüfe, welche Massnahmen kurz- und mittelfristig umgesetzt werden könnten. Am Mittwoch finde dazu eine Aussprache statt.
Berichte eigentlich intern
Der Berner Gemeinderat hat die zwei Polizeiberichte zu den Ereignissen in und um die Reitschule aufgrund des Informationsgesetzes zugänglich gemacht. Sie gingen ausser an den Gesuchsteller Henri Beuchat (SVP) auch an das Präsidium des Berner Stadtrats und an die Fraktionschefs.
Auf Anfrage sagte der städtische Informationsdienst, bei den beiden Berichten handle es sich um interne Akten. Jede Person habe Recht auf Einsicht in Akten, sofern nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstünden. Im vorliegenden Fall habe die Stadtregierung nach Prüfung des Inhalts keine solchen Gründe gesehen.
Reitschule reagiert ironisch
Die Mediengruppe der Reitschule hat gegenüber der Nachrichtenagentur SDA in ironischem Ton mitgeteilt, sie sei «bestürzt über die brisanten Inhalte der Polizeiberichte». «Was für eine Enthüllung.» Auch aus ihren Berichten über Polizeiarbeit rund um die Reitschule gehe hervor, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei nicht immer Freude gemacht habe.
Die Mediengruppe der Reitschule hat sich in den vergangenen Jahren mehrmals zu Vorfällen geäussert. So schrieb sie etwa im Zusammenhang mit einer Polizeiintervention bei der Reitschule vom Juni 2014, die BetreiberInnen der Reitschule seien «bestürzt über das äusserst gewalttätige und unverhältnismässige Verhalten der Kantonspolizei.» Auf Fragen des Personals und von Gästen sei nur mit Beleidigungen geantwortet worden.
Zum Thema Drogendeal schrieb die Mediengruppe der Reitschule Ende 2013: «Die Betreiber_innen der Reitschule haben sich wiederholt klar und deutlich von Gewaltaktionen auf dem Reitschulareal distanziert. Das betrifft insbesondere auch Polizeieinsätze, bei denen nach rassistischem Muster und mit brachialer Gewalt (...) gegen mutmassliche Drogenhändler_innen vorgegangen wurde, die sich mitunter wiederholt als normale Reitschulgänger_innen oder Mitarbeitende herausstellten.»