SRF News: Hat die SVP den zweiten Sitz im Bundesrat bereits auf sicher?
Marc Bühlmann: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross. Insbesondere, weil gestern die meisten Parteien entsprechend reagiert haben. Allerdings könnte sich die SVP noch selber in den Weg kommen.
Sie denken an die Variante, dass ein Hardliner aufgestellt wird, der Mühe haben wird, die Mehrheit im Parlament zu erhalten?
Genau. Wenn die SVP ihren Oppositionskurs weiterfährt, muss sie konsequenterweise einen so genannten Hardliner aufstellen – also jemanden, der ihre Positionen auch in der Regierung vertritt. Ob das die Bundesversammlung allerdings mitmacht ist eine offene Frage.
Wenn die SVP einen wählbaren Kandidaten aufstellt, hat sie vielleicht ganz schnell wieder den von ihr bezeichneten halben Bundesrat.
Bei dieser Bundesratswahl geht es also auch um die Frage, ob sich die SVP konsensorientiert geben soll oder ob sie de facto eine Oppositionspartei bleibt.
Das ist genau die Idee dieser Checks and Balances, dem Gleichgewicht zwischen Parlament und Regierung, das in der Schweiz eigentlich immer gut funktioniert hat. Man kann eine Oppositionspartei sein und Erfolg auf Parlamentsebene haben. Wenn man in die Regierung eingebunden ist, wird man aber gezwungen, diese harte Oppositionslinie etwas zu verlassen. Bei der Wahl von Christoph Blocher in den Bundesrat haben wir allerdings gesehen, dass die SVP dies eigentlich nicht wollte. Ich gehe davon aus, dass sie das nach wie vor nicht will. Wenn sie einen Kandidaten aufstellt, der wählbar ist, dann hat sie vielleicht ganz schnell wieder den von ihr bezeichneten halben Bundesrat. Wenn die SVP einen Hardliner aufstellt, könnte das Szenario sein, dass die Bundesversammlung vielleicht jemanden wählt, der nicht auf dem Ticket der Partei ist. Was das bedeuten kann, haben wir ja bei Eveline Widmer-Schlumpf schon gesehen.
Vor vier Jahren wollten viele SVP-Vertreter nicht antreten, weil sie befürchteten, nicht von der Fraktion gestützt zu werden.
Welche Rolle will denn die SVP in Zukunft spielen?
Ich glaube, das ist jetzt Gegenstand innerhalb der SVP selber. Bereits vor vier Jahren hat es viele Kandidaten gegeben, die nicht antreten wollten, weil sie befürchteten, dass sie nicht von der Fraktion gestützt werden, wenn sie zu viele Kompromisse suchen würden. Und die Hardliner selber wollten sich nicht aufstellen lassen, weil sie wussten, dass sie für die Bundesversammlung nicht wählbar sind. Man hat dann damals Bruno Zuppiger aus dem Hut gezaubert, der wahrscheinlich eine gute Kandidatur gewesen wäre, wenn ihm nicht sein Privatleben in den Weg gekommen wäre.
Vor acht Jahren hat das Parlament mit Eveline Widmer-Schlumpf eine Bundesrätin gewählt, die nicht von der SVP aufgestellt worden war. Ist es realistisch, dass sich dieses Szenario wiederholt?
Ich könnte mir vorstellen, dass dies ein realistisches Szenario sein kann, wenn die SVP nicht mindestens einen Kandidaten aufstellt, der für die Bundesversammlung wählbar ist. Ich denke hier insbesondere die FDP, die ja nicht so viele Zugeständnisse von der SVP möchte. Aber auch die CVP wird schauen, wie dieser Kandidat oder allenfalls die Kandidatin inhaltlich ausgerichtet ist.
Die Ausgangslage vor dieser Bundesratswahl ist also nur scheinbar klar.
Sie ist insofern klar, dass die SVP jetzt tatsächlich mit einem zweiten Bundesratssitz rechnen kann. Hier erwarte ich keine Überraschungen. Es wurden auch Szenarien rumgereicht, dass Mitte-Links vielleicht einen FDP-Bundesrat nicht bestätigen möchte. Von diesem Szenario gehe ich nicht mehr aus. Für den vakanten Sitz wird ein SVP-Kandidat gewählt werden. Allerdings wird die grosse Frage sein, ob der Kandidat von der SVP empfohlen wird oder eben nicht.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.