SRF News: Hartmut Schulze, was bringt denn Coworking aus Sicht der Angestellten?
Hartmut Schulze: Aus Sicht der Angestellten sind Coworking Spaces noch eine zusätzliche Alternative als Arbeitsort. Man hat mehr Autonomie in der Entscheidung, wo man arbeitet und wann man arbeitet. Coworking Spaces sind auch als Alternative zum Homeoffice zu sehen.
Viele Leute sehen Homeoffice als Rückzugsbereich und gehen lieber in den Coworking Space, um leichter in ihren Arbeitsmodus zu kommen. Man könnte sagen: Es gibt also einen ganzen Anteil von sogenannten «Homeoffice-Flüchtlingen», die gerne den Coworking Space nutzen. Allerdings nur, wenn dieser nahe bei ihrem Zuhause liegt.
Aber ist der Unterschied zum Homeoffice nicht einfach nur, dass man da noch mit jemandem Kaffee trinken kann?
Die soziale Unterstützung ist sicher ein wichtiger Punkt. Das Motto der Coworking Spaces ist ja auch: «Man arbeitet für sich, aber nicht allein». Und das wissen wir aus der Psychologie, wie wichtig das ist, dass man sieht, dass auch andere arbeiten. Das hält unsere Motivation hoch.
Es gibt aber noch einen zweiten Punkt: Die Arbeitsausstattung in vielen Coworking Spaces ist sehr professionell, ich habe da also eine wirklich gute Ausrüstung.
Die Genossenschaft «Village Office» will 1000 solcher Gemeinschaftsbüros schaffen in der Schweiz bis 2030. Vor allem in ländlichen Gegenden soll es solche Räume geben. Was bringt das diesen Gegenden?
Ich denke, dass die ländlichen Gegenden dadurch attraktiver werden können. Wir sehen das hier in der Bildungsregion Aareland. Die Szene ist gewachsen, mit Coworking Spaces in Zofingen, Olten, Aarau und jetzt neu auch in Solothurn.
Ich bin nicht nur hier um zu wohnen, sondern die Gemeinde unterstützt mich auch in meiner Arbeit.
Ich habe einen positiven Eindruck, gerade wenn Gemeinden hinter diesen Coworking Spaces stehen. Denn für die Gemeinden ist es eine Möglichkeit, ihre Region bekannter und attraktiver zu machen. Sie bekommen damit Personen nicht mehr nur zum Schlafen in ihre Gemeinde, sondern auch zum Arbeiten.
Es kommt also mehr Leben in eine Gemeinde durch solche Angebote. Dann müssten die Gemeinden solche öffentlichen Büros selber schaffen?
Ich denke das ist ein wichtiger Punkt. Das sind ja häufig zentrale Bürger einer Gemeinde, die solche Angebote nutzen könnten. Aus unseren Studien wissen wir, das ein bis eineinhalb Tage Homeoffice gut sind. Und wenn man da auch noch in einen Coworking Space geht, schafft das eine andere Identifikation mit der Gemeinde. Man weiss dann, ich bin nicht nur hier um zu wohnen und zu leben, sondern die Gemeinde unterstützt mich auch in meiner Arbeit.
Das Arbeitsleben, das aus den Dörfern in die Städte verschoben worden war, könnte nun also wieder in die Dörfer zurückkehren. Wie gut stehen die Chancen, dass das klappt?
Wenn man die Statistik anschaut, dann sieht man, dass sich weltweit die Anzahl der Coworking Spaces in den letzten zwei Jahren verdoppelt hat. In der Schweiz gibt es schon 80 solche Angebote.
Aber es scheitern auch 60 Prozent der Projekte. Daher kann ich den Gemeinden nur raten, dass sie das sehr gut planen. Und ich glaube, dass es eine öffentliche Aufmerksamkeit braucht: Die Leute müssen wissen, dass es das gibt, dass die Gemeinde das will und dass sie es unterstützt.
Das Gespräch führte Alex Moser.