«Als ich jung war, reichte die Gletscherzunge bis hierher. Jetzt ist sie weg. Der Gletscher hat sich um einen Kilometer zurückgezogen», erzählt Thomas Wenger aus Riederalp, Präsident des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA).
Der Rückgang des Aletschgletschers sei ein sichtbares Zeichen des Klimawandels und habe direkte Auswirkungen auf die Wasserversorgung in der Region. In den letzten Jahren seien die Wasserreserven deutlich zurückgegangen. «Vor allem in den letzten drei oder vier Jahren gibt es immer weniger Wasser», berichtet Wenger. «Man kann feststellen, dass die Niederschläge abnehmen und wir es mit Knappheit in der Versorgung zu tun haben.»
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben sich elf Gemeinden zusammengeschlossen. Das Ziel: Ressourcen bündeln und nachhaltige Lösungen für die Wasserbewirtschaftung finden.
Veraltete Infrastruktur als Risiko
In der Region existieren über 50 Trinkwasserspeicher, viele davon seien veraltet. «Das ist ein Problem, das die ganze Schweiz betrifft», sagt Sabrina Bahnmüller, Projektleiterin beim Ingenieurbüro Rudaz und Partner. «Die Wasserversorgungssysteme sind im Durchschnitt zwischen 60 und 80 Jahre alt und müssen komplett saniert werden.»
Die Initiative setzt auf Zusammenarbeit: Bergbahnen, Tourismusbetriebe und Energieversorger sollen gemeinsam Strategien entwickeln, um den Wasserbedarf ganzjährig zu decken.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Wasserspeicherung. «Im Sommer brauchen wir Wasser für die Landwirtschaft und natürlich Trinkwasser. Und im Winter auch für die Beschneiung», erklärt Benjamin Zaugg, Ingenieur des beauftragten Büros. Die Wasserspeicherung könne ausserdem dazu beitragen, das Problem der Überschwemmungen zu lindern.
Gemeinsame Lösungen für die Zukunft
Besonders herausfordernd ist die Situation in Orten wie Bellwald. Die Gemeinde zählt rund 300 Einwohnerinnen und Einwohner, kann aber in der Hochsaison bis zu 5000 Gäste aufnehmen. Die Infrastruktur muss daher auf extreme Nutzungsspitzen vorbereitet sein.
«Die meisten Quellen im Alpenraum liegen relativ oberflächennah. Mit anderen Worten: Wenn es regnet, füllen sie sich. Aber bei wenig Niederschlag haben sie einen relativ geringen Ausfluss», betont Bahnmüller.
Die Schweiz als Wasserschloss Europas
Auch auf internationaler Ebene gewinnt das Thema an Bedeutung. Laut Christian Bréthaut, Experte für Wassermanagement, wird der Klimawandel zwei zentrale Auswirkungen haben: erstens die Zunahme von Extremereignissen wie Dürren und Überschwemmungen, zweitens die wachsende strategische Bedeutung der Schweiz, in der vier grosse europäische Flüsse entspringen.
Internationale Zusammenarbeit wird daher immer wichtiger. «Es liegt an den Ländern und Kantonen, die Mechanismen zur Strukturierung der Zusammenarbeit zu definieren», sagt Bréthaut. Bereits heute komme es gelegentlich zu Spannungen, sowohl zwischen Kantonen als auch mit Nachbarländern.
«Mit der Klimakrise wird sich die Situation voraussichtlich verschärfen», warnt Bréthaut. «Es wird notwendig sein, die institutionellen Rahmenbedingungen zu stärken und die Nutzung der Ressource besser zu quantifizieren, um Kompromisse eingehen zu können.»