Es war einer der grössten Skandale der Automobilgeschichte: In Millionen Autos auf der ganzen Welt wurden fehlerhafte Airbags verbaut.
In den letzten zehn Jahren haben die Defekte der japanischen Airbag-Marke Takata mindestens 44 Todesopfer gefordert.
Nun zeigt eine Untersuchung des Westschweizer Fernsehens RTS, dass auf Schweizer Strassen mindestens 100'000 Autos weiter mit solchen Airbags unterwegs sind.
Besorgte Autofahrer
Maguy Scaglia, Besitzerin eines Citroën C3, gehört zu den Betroffenen. Vor einigen Monaten erhielt sie ein Schreiben von Citroën, in dem steht, dass ihre Airbags bei der Auslösung explodieren könnten und man einen Termin mit einem Händler vereinbaren müsse, um die Airbags auszutauschen.
Trotzdem fuhr sie mehrere Wochen mit ihrem Citroën weiter – das Schreiben enthielt kein Fahrverbot.
Explosionsgefahr
Der Defekt der Airbags liegt in der Gas-Generator-Kapsel, die den Stoff Ammoniumnitrat enthält. Das Problem: Dieser Stoff verändert sich im Laufe der Zeit, insbesondere in heissem und feuchtem Klima.
Wenn der Airbag ausgelöst wird, kann die Kapsel explodieren und Metallsplitter und Schrauben in den Fahrzeuginnenraum schleudern.
Der RTS-Bericht zu Takata-Airbags (mit deutschen Untertiteln):
Noch im März wurde ein französischer Autofahrer so getötet.
Massive Rückrufe
Im Jahr 2013 begann nach mehreren solchen tödlichen Unfällen in den USA die grösste Rückrufaktion der Automobilgeschichte – mit der Anordnung, bestimmte Fahrzeuge sofort stillzulegen.
In der Schweiz begann die erste Rückrufaktion bereits 2010, zuerst bei Honda, später bei rund 30 weiteren Marken. Doch im Frühjahr 2025 hatten 21 dieser Marken ihre Rückrufaktionen noch immer nicht abgeschlossen – mit dem Verweis auf eine Priorisierung nach Baujahren.
Ebenso enthalten Rückrufschreiben in der Schweiz nie eine Aufforderung zur Stilllegung. «In der Schweiz haben wir andere Mittel», erklärt Maja Ouertani, Leiterin Sicherheit und Überwachung beim Bundesamt für Strassen Astra. «Wir haben vielleicht sogar das schärfste Mittel: Im äussersten Fall können wir ein Fahrzeug aus dem Verkehr ziehen, wenn es eine echte Gefahr darstellt.»
Allerdings sagt Ouertani, dass dieses Mittel im Fall Takata nie angewendet wurde.
Die Lage in der Schweiz
Wie viele Autos in der Schweiz heute noch Takata-Airbags verbaut haben, ist unklar. Der Bund nennt 93’000 Fahrzeuge, die von RTS zusammengetragenen Zahlen jedoch zeigen, dass diese Zahl zu niedrig angesetzt ist.
Allein die vier am stärksten betroffenen Marken – BMW, VW, Citroën und Toyota – kommen auf 98’000 Fahrzeuge.
Das überrascht Philippe Burri, Direktor des Strassenverkehrsamts Neuenburg: «Ich kann das kaum glauben. Das würde bedeuten, dass der Rückrufprozess nicht richtig funktioniert hat.»
Ein weiteres Problem: Die Spur vieler Airbags hat sich verloren. Laut Astra gibt es neben den 93’000 im Verkehr stehenden Autos noch rund 190’000, die nicht mehr zugelassen sind – insgesamt also 283’000 Autos, von denen ein Teil exportiert wurde.
Andere landeten auf dem Schrottplatz – was ebenfalls problematisch ist, denn dort holen sich manche Leute Ersatzteile – inklusive Airbags.
In der Schweiz ist bisher kein tödlicher Unfall aufgrund fehlerhafter Takata-Airbags bekannt. Ob in einem Auto ein Takata-Airbag verbaut ist, kann auf den Webseiten der meisten Fahrzeughersteller überprüft werden.