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Gefängnisse in der Schweiz Kantone kämpfen gemeinsam gegen Platznot in Gefängnissen

Die Überbelegung in den Gefängnissen hat sich in manchen Kantonen der Schweiz weiter zugespitzt. Die Kantone drängen jetzt auf Gegenmassnahmen auf nationaler Ebene.

Die Tessiner Gefängnisse haben einen neuen Belegungsrekord erreicht. Aus Sicht von Regierungsrat Norman Gobbi, zuständig für Justiz, ist das beunruhigend: «Ich finde, dass diese Situation auch auf nationaler Ebene angegangen werden muss», sagte er gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). «Denn es ist nicht nur ein Trend im Kanton Tessin. Das Problem ist mittlerweile von Genf bis St. Gallen zu beobachten.»

Zellentüren in einer Haftanstalt in Sitten im Kanton Wallis.
Legende: Zellentüren in einer Haftanstalt in Sitten im Kanton Wallis. Keystone / Jean-Christophe Bott

Auf der Suche nach Lösungen arbeiten zum ersten Mal alle Kantone mit dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für den Justizvollzug zusammen. Christoph Urwyler ist einer der Spezialisten dieses Zentrums. Er sagt: «Hohe Belegung bedeutet weniger Personal pro Häftling. Es gibt also weniger Menschen, die die Sicherheit gewährleisten, aber auch für die tägliche Betreuung der Inhaftierten. Das erhöht den Stress, und wenn das Klima angespannt ist, wird es für alle komplizierter. Es gibt auch weniger Arbeitsplätze, und das wirkt sich negativ auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft aus. Kurz gesagt: Das ganze System funktioniert schlechter.»

Denken über Notlösungen hinaus

Das Ziel ist es, Massnahmen zu finden – im Zusammenspiel mit der Polizei und der Justiz –, die über temporäre Notlösungen hinausgehen. Dazu gehört etwa die Verlegung von Häftlingen von einer Einrichtung in eine andere oder in andere Kantone. Oder auch die Aufstellung provisorischer Unterkünfte.

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Eine der möglichen Lösungen geht von der Frage aus, ob wirklich alle Insassen eines Gefängnisses dort sein müssen. Die Antwort der Experten lautet: Nicht unbedingt, man muss über alternative Strafen nachdenken. «Es gibt immer mehr Menschen, die ihre Geldstrafen nicht bezahlen können und deshalb im Gefängnis landen», erläutert Christoph Urwyler. «Die Kantone denken daher über Alternativen nach, zum Beispiel gemeinnützige Arbeit. Es gibt auch immer mehr Drogenabhängige. Also muss auch das Angebot an gemeinnütziger Arbeit überdacht werden.»

Dann gibt es Massnahmen wie die elektronische Fussfessel, die in gewissen Kantonen wie dem Tessin jedoch schwer anzuwenden sind, da die meisten Häftlinge nicht ansässige Ausländer sind. Urwyler betont: «Um die Betreuung dieser Personen im Gefängnis und dann ihre Ausweisung aus dem Land zu erleichtern, haben einige Kantone – wie Bern, Zürich und Genf – eine Zusammenarbeit zwischen den im Migrationsbereich tätigen Vereinen und den Strafvollzugsanstalten eingeleitet. Man versucht von Anfang an, diesen Menschen Perspektiven zu geben und sie bei der Rückkehr zu begleiten.»

Original-Beitrag von RSI zum Thema (mit dt. Untertiteln)

Während einerseits an der Reduzierung der Zahl der Häftlinge gearbeitet wird, geht es andererseits auch um die Erhöhung der verfügbaren Bettenkapazität. Der Tessiner Regierungsrat Gobbi schlägt auch vor, die Qualitätsstandards der Gefängnisse zu senken, um leichter neue bauen zu können.

Ist das ein gangbarer Weg? «Es gibt Gesetze, die man nicht ignorieren kann», antwortet Urwyler. «Die Kantone können Lösungen finden, um die Verfahren auf politischer und administrativer Ebene zu erleichtern. Aber dabei darf nicht die Qualität der Einrichtungen geopfert werden. Denn diese ist entscheidend für die Sicherheit des Personals und der Häftlinge sowie für deren Vorbereitung auf die Rückkehr in die Gesellschaft.»

RSI Info, 18.4.2025, 7 Uhr; sten

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