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Gesundheit Bei OPs mit Zusatzversicherung verdienen Ärzte teils dreimal mehr

Gewisse Fachärztinnen und Chirurgen berechnen für Operationen, die über die Zusatzversicherung laufen, um einiges höhere Honorare. Das zeigt eine Recherche des Westschweizer Radios und Fernsehens (RTS). Kritiker sprechen von einer Zweiklassenmedizin.

Patientinnen und Patienten mit einer Zusatzversicherung bezahlen in der Schweiz mehr für die gleiche Operation. Das hat die RTS-Sendung «On en parle» herausgefunden – aufgrund von Rechnungen, die von Hörerinnen und Hörern stammen, sowie exklusiven Daten von zwei grossen Krankenversicherungen.

Interview mit dem RTS-Reporter (dt. Untertitel)

Die Recherche konzentriert sich auf drei Eingriffe: den Ersatz des Kniegelenks, das Einsetzen einer Hüftprothese und die Entfernung der Gallenblase.

Die Daten zeigen, dass einige Fachärzte hohe Einkommen aus der Grund- und der Zusatzversicherung erzielen konnten. 

Operationen teils doppelt so teuer

Für Operationen für den Hüft- oder Kniegelenkersatz, die ein bis zwei Stunden dauern, verlangen manche Chirurginnen oder Chirurgen über 6000 Franken pro Eingriff. Das ist dreimal so viel wie eine Operation bei einem Patienten mit lediglich einer KVG-Grundversicherung kostet.

Das Beispiel Hüftoperation zeigt noch mehr: Auf die ganze Schweiz betrachtet, belaufen sich die Gesamtkosten dieses Eingriffs für jemanden mit einer Grundversicherung auf etwa 15'000 Franken. Verfügt die Patientin über eine private Zusatzversicherung, steigen die Gesamtkosten auf durchschnittlich 28'000 Franken.

Auffällig ist auch: Die zusätzlichen Gesamtkosten für eine Operation in einer Privatklinik variieren teils je nach Spital, Krankenkasse und Kanton enorm. Sie sind in Genf und im Kanton Waadt fast immer höher als im Rest der Schweiz.

Eine Feststellung, die nicht überrascht

Diese Beobachtung überrascht Baptiste Hürni, den Vizepräsidenten der Schweizerischen Patientenvereinigung, nicht. Bereits vor einigen Jahren habe die Finanzmarktaufsicht Finma Alarm geschlagen. Sie habe erklärt: «Wir wollen keine neuen Produkte mehr, da im Bereich der Zusatzversicherungen systematisch überhöhte Abrechnungen stattfinden.»

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Für Michel Matter, Chirurg und Präsident des Ärzteverbands des Kantons Genf, «handelt es sich um private Verträge, bei denen die Leute frei sind, eine Zusatzversicherung zu wählen». Und er fügt an: «Sie leisten diesen finanziellen Aufwand, weil sie die freie Arztwahl wünschen, das heisst eine optimale Betreuung haben möchten. Diese Wahlmöglichkeit hat keinen Einfluss auf die Grundversicherung, also unsere Prämien.»

Zweiklassenmedizin

Anders sieht das Baptiste Hürni: «Wenn Chirurginnen oder Ärzte durch Zusatzversicherungen deutlich mehr verdienen als durch die Grundversicherung, sind sie versucht, nur Patienten zu behandeln, die eine Zusatzversicherung haben.» Er ergänzt, die Ärzte könnten auch dazu verleitet werden, bei Privatpatientinnen unnötige Operationen durchzuführen, was Auswirkungen auf die Kosten für die Grundversicherung hätte.

Zudem müssten Menschen, die nur über eine Grundversicherung verfügen, in öffentlichen Spitälern mit längeren Wartezeiten rechnen. Dort gibt es teils sogenannte «Fast Tracks», die Patienten mit einer privaten oder halbprivaten Zusatzversicherung vorbehalten sind.

Für Michel Matter ist es eine Frage der freien Wahl. «Wer schneller behandelt werden und seinen Arzt selbst wählen möchte, zahlt dafür.» Ähnlich sei es mit der Champions League. Wer Real Madrid gegen Liverpool sehen wolle, der zahle eben. 

RTS, On en parle, 4.11.2025, 8:33 Uhr; sten

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