Am 12. Juli 2024 stürzte in Prilly, einem Vorort von Lausanne, plötzlich ein riesiges Baugerüst zusammen. Drei Arbeiter wurden getötet, elf weitere Personen verletzt. Wer war dafür verantwortlich? Das versucht die Waadtländer Staatsanwaltschaft im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung herauszufinden.
Ein Zeuge schildert, wie es zum Unfall kam (dt. Untertitel)
Als Erstes ins Visier nahm sie die am Bau beteiligten Unternehmen, insbesondere das Gerüstbauunternehmen Roth und die Generalunternehmer JPF und Perspectives Construction. Das geht aus internen Untersuchungsdokumenten hervor, die dem Radio und Fernsehen der französischsprachigen Schweiz (RTS) vorliegen.
Ebenfalls im Fokus steht die Suva. Sie ist die Bauherrin dieses Grossprojekts, bei dem es um den Bau eines 60 Meter hohen Hauses mit 96 Wohnungen auf 15 Stockwerken geht. Die Suva ist die obligatorische Unfallversicherung der Schweiz für Arbeitnehmende. Gleichzeitig ist sie das wichtigste Organ für die Inspektion von Baustellen in der Schweiz.
Eine mögliche Fahrlässigkeit
Gemäss den Dokumenten aus der Untersuchung hat Staatsanwalt Eric Mermoud im Oktober der Suva die Anweisung erteilt, ihm eine Reihe von Dokumenten zur Verfügung zu stellen. Zu diesen Unterlagen gehören die Ausschreibungsunterlagen und Verträge mit den Subunternehmen, Fotos der Baustelle, vor allem aber alle Berichte über die Inspektionen der Baustelle, die der Katastrophe vorausgingen.
Gemäss mehreren Quellen geht es um eine mögliche Fahrlässigkeit bei der Verankerung des Baugerüsts für den 60 Meter hohen Bau.
Die Suva hat dem Staatsanwalt die geforderten Dokumente umgehend übermittelt. Gleichzeitig führt die Abteilung Arbeitssicherheit des Versicherers ihre eigene Untersuchung durch.
Ein Interessenkonflikt?
Untersucht die Suva sich selbst und befindet sich somit in einem Interessenkonflikt? Das ist die Kritik der Gewerkschaft Unia und ihres Bauleiters Pietro Carrobio: «Bauherr und gleichzeitig das Kontrollorgan der eigenen Baustellen zu sein, kann zu Verwirrung und einer gewissen Laxheit bei den Kontrollen führen.»
Die Suva wehrt sich gegen jeden Vorwurf eines Interessenkonflikts: «Es mag auf den ersten Blick so aussehen, aber das ist nicht der Fall», betont Hubert Niggli, Leiter des Finanzdepartements der Suva und in dieser Funktion verantwortlich für Immobilienangelegenheiten, gegenüber RTS.
«Die Personen und Organisationseinheiten, die für die Kontrolle der Baustellen zuständig sind, sind vom Rest der Suva, der Versicherung und der Anlagetätigkeit getrennt. Sie arbeiten im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Arbeitssicherheit, von der sie ihr Budget erhalten, und all das ist im Gesetz genau geregelt.
Ausserdem werden nicht die Investoren, die Bauherren, kontrolliert, sondern die Unternehmen, die auf den Baustellen tätig sind und Personal beschäftigen. Aus unserer Sicht gibt es daher keinen Interessenkonflikt.»