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KI «Made in Switzerland» Wie in der Schweiz an der Konkurrenz zu ChatGPT getüftelt wird

Die ETHs in Zürich und Lausanne haben angekündigt, ein eigenes grosses Sprachmodell zu entwickeln. Es soll hohen Ansprüchen genügen.

Unter KI-Systemen, die als «Large Language Model» oder kurz LLM bezeichnet werden, versteht man heute oftmals ChatGPT, Copilot oder Grok. Doch es gibt über eine Million verschiedene solcher Modelle.

Und kürzlich wurde ein weiteres angekündigt: Noch in diesem Jahr soll ein neues, vollständig schweizerisches, öffentliches und frei zugängliches KI-Modell veröffentlicht werden. Entwickelt wird es von den ETHs Zürich und Lausanne. Was wie ein Tropfen auf den heissen Stein wirken mag, könnte ein Meilenstein für den KI-Sektor in Europa sein – dank der Transparenz und den ethischen Werten.

Beinahe alle Systeme, die sich bis heute etabliert haben, sind in den USA oder in China entwickelt worden. Sie werden oft dafür kritisiert, dass sie nicht transparent genug seien.

Tatsächlich haben selbst diejenigen, die genug Know-how besitzen, um den Code solcher Sprachmodelle zu verstehen, kaum Zugriff auf die Programmierzeilen. Es lässt sich also nicht überprüfen, ob die Antworten dieser Systeme nicht etwa beeinflusst wurden, um sie in eine bestimmte politische Richtung zu lenken. Auch ist es kaum möglich, herauszufinden, wo die Daten landen, die während der Nutzung entstehen.

«Vollständige Open-Source-Modelle ermöglichen die Entwicklung von Anwendungen mit hoher Zuverlässigkeit und sind wichtig für den Fortschritt der Forschung zu Risiken und Chancen von KI. Transparente Prozesse erleichtern zudem die Einhaltung der Vorschriften», sagt Imanol Schlag, Wissenschaftler am AI Center der ETH Zürich, der das Projekt zusammen mit den Professoren Antoine Bosselut und Martin Jäggi von der ETH Lausanne leitet.

«Im Gegensatz zu kommerziellen Modellen, die hinter verschlossenen Türen entwickelt wurden, hoffen wir mit unserem transparenten Ansatz, die Innovation in der Schweiz und in ganz Europa anzuregen», ergänzt Martin Jäggi gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). «Ausserdem ist es ein entscheidendes Element, um die besten Talente anzuziehen und zu fördern.»

KI in 1000 Sprachen

Das schweizerische LLM soll in der Lage sein, in über 1000 Sprachen fliessend zu kommunizieren – weltweit gibt es etwa 7000 Sprachen. Das System wurde mit einer riesigen Bibliothek trainiert, die zu 60 Prozent aus englischsprachigen Dokumenten besteht und zu 40 Prozent aus solchen in 1500 anderen Sprachen, sowie mit Codes und mathematischen Formeln.

Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass ihr System zu den leistungsfähigsten vollständig offenen Modellen gehören wird, die verfügbar sind. Das Projekt befindet sich zurzeit im letzten Teil der Testphase. Es hat noch keinen offiziellen Namen.

Auch das Tessin leistet einen wichtigen Beitrag zum Projekt. Im schweizerischen Hoch­leistungs­rechen­zentrum in Lugano wurden die KI-Trainingsprozesse durchgeführt. Auf der IT-Infrastruktur «Alps» wurden riesige Datenmengen übersetzt und eingelesen. Auch punkto Klimaschutz gelten fürs neue Schweizer LLM hohe Ansprüche. Das Hoch­leistungs­rechen­zentrum wird mit CO₂-neutralem Strom betrieben.

Ob das Modell «Made in Switzerland» mit der internationalen Konkurrenz mithalten kann, wird sich dann erst durch die Anwendung in der Praxis zeigen.

SRF 4 News, 21.7.2025, 08:10 Uhr; sten

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