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Kindesentführungen im Sommer Wenn im Schulzimmer plötzlich ein Platz leer bleibt

Die Zahl der Fälle, in denen Kinder von einem ihrer Elternteile entführt werden, steigt mit jedem neuen Schuljahr. Oft kommen sie in binationalen Familien vor, bei Ehekonflikten oder Trennungen. Ein Elternteil fährt mit dem Kind in die Ferien – und kommt nicht mehr zurück.

Die Kinder in der Schweiz sind seit mindestens drei Wochen wieder in der Schule ... zumindest fast alle. Einige von ihnen werden noch vermisst. Sie waren im Sommer mit ihrer Mutter oder ihrem Vater in einem anderen Land in den Ferien und sind einfach nicht zurückgekommen.

Am Ende des Sommers ist das typisch: Es ist der Moment, wenn der andere Elternteil, der in der Schweiz geblieben ist, merkt, dass das Kind nicht zurückkommt. Es dauert dann einige Wochen, bis die Fälle gemeldet und Verfahren eingeleitet werden.

Das Bundesamt für Justiz (BJ) berichtet, dass im August fünfzehn Meldungen eingegangen sind, dreimal so viele wie vor dem Sommer. Die Fälle betreffen Kinder im Alter von durchschnittlich siebeneinhalb Jahren und oft aus binationalen Familien, die in grossen Städten wie Genf oder Zürich leben. In 80 Prozent der Fälle sind die entführenden Eltern Mütter, die den Ex-Ehepartner per Brief, E-Mail oder SMS benachrichtigen – oder gar nicht.

Solche Entführungen nehmen insgesamt zu. Letztes Jahr wurde in der Schweiz ein neuer Rekord aufgestellt: 80 Kinder wurden ins Ausland entführt.

Hindernislauf für die Eltern

Für die Eltern, die in der Schweiz zurückgelassen wurden, kann es sehr kompliziert sein, ihr Kind zurückzubekommen. Es hängt alles davon ab, in welchem Land das Kind festgehalten wird. Im Falle eines Landes, das das Haager Übereinkommen über internationale Kindesentführung ratifiziert hat, kann die Schweiz intervenieren, und das andere Land muss kooperieren.

Das Haager Übereinkommen

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Bisher sind 101 Staaten dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom Oktober 1980 beigetreten. Sie haben sich damit verpflichtet, für Kinder, die widerrechtlich auf ihr Staatsgebiet gebracht worden sind, innerhalb von maximal sechs Wochen die Rückführung ins Herkunftsland anzuordnen.

Das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) sprach mit einer Mutter, deren Tochter nach Bulgarien entführt worden war. Sie konnte auf die Hilfe des Bundes zählen, um die Tochter innerhalb weniger Monate zu finden und in die Schweiz zurückzubringen.

Diese Art von Verfahren könne aber von Land zu Land sehr unterschiedlich sein, je nach Komplexität des Falls, betont Joëlle Schickel-Küng, Leiterin der Zentralbehörde zur Behandlung internationaler Kindesentführung beim BJ. «Das Verfahren kann zwischen zwei Monaten und zwei Jahren dauern, obwohl das Übereinkommen vorsieht, dass schnelle Verfahren eingeführt werden müssen.»

Mit «dialog» einen Blick über die Sprachgrenzen werfen

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch bei RTS und wurde von der «dialog»-Redaktion übersetzt. Die Originalversion können Sie auf  RTS  lesen.

«dialog»  ist das Angebot der SRG, das mit Debatten und dem Austausch von Inhalten Brücken baut zwischen den Sprachregionen in der Schweiz und den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland.

Fast hundert Länder haben das Haager Abkommen nicht unterzeichnet, wie zum Beispiel Kenia, wo die Kinder eines Vaters, den RTS getroffen hat, seit fünf Jahren inhaftiert sind. In dieser Situation können die Schweizer Behörden nicht eingreifen, da das Gesetz ihnen dies nicht erlaubt. Der Vater hat nur seine Anwälte und den Internationalen Sozialdienst der Schweiz (SSI), eine spezialisierte Organisation, die Familienmediation anbietet und über ein eigenes Netzwerk von Partnern verfügt.

Trotz mehrerer parlamentarischer Vorstösse zu diesem Thema hat der Bundesrat Ende August in einem Bericht festgehalten, dass das geltende Recht zufriedenstellend ist. Der Bericht unterstreicht auch die Bedeutung der Prävention.

Laut Elodie Antony, Leiterin der transnationalen Dienste beim SSI, ist eine Entführung immer eine Überraschung und ein Schock. Aber es kann Warnzeichen geben. «Wir versuchen, auf familiärer Ebene herauszufinden, ob und in welchem Ausmass es Konflikte gibt, ob die Gefahr besteht, dass der andere Elternteil das Kind in ein anderes Land entführt», erläutert sie.

RTS La Matinale, 13.9.2024, 7:00 Uhr

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