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Kriegsmaterial Baumwolle für Schiesspulver: Ukraine testet Anbau in Odessa

Durch den Krieg gegen Russland wurden die Ukrainer zu regelrechten Experten im Ausprobieren von Kriegsmaterial, unter anderem von Drohnen. Jetzt testet das Land den Anbau neuer Baumwollarten, die für die Schiesspulverproduktion genutzt werden könnten.

Immer wieder steht Odessa unter russischem Beschuss. Die Kontrolle der südukrainischen Hafenstadt und der Zugang zum Schwarzen Meer wären für Russland von grosser Bedeutung. Ausgerechnet hier, auf den Feldern von Odessa, wird jetzt Baumwolle für den Krieg getestet.

Es war die Idee von Stepan Cherniavskyy, einem Abgeordneten des ukrainischen Parlaments. In seinem Büro in Odessa erzählt er, wie er darauf kam, während des Krieges Baumwolle anzubauen, um Schiesspulver für Munition zu produzieren. Im Interview mit dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI) berichtet er darüber, wie stark der Preis für Munition gestiegen ist, wie der Anbau dieser Pflanze die Produktionskosten senken könnte und dass es bis vor zwei Jahren keine modernen Sorten gab, die sich für ein Pilotprojekt eigneten.

Wie die Ukraine Baumwolle für den Krieg gewinnen will:

Die erste Baumwolle wurde 2024 auf den Feldern von Odessa ausgesät. Danach wurden Proben genommen und aus den Analysen – erklärt Cherniavskyy – ergab sich, dass die in dieser Region wachsende Baumwolle geeignet ist für die Herstellung von Nitrozellulose. Diese wird dann für die Schiesspulverproduktion verwendet.

Ein Mann mit Brille in seinem Bürostuhl, neben ihm an der Wand die ukrainische Flagge.
Legende: Der ukrainische Parlamentarier Stepan Cherniavskyy in seinem Büro in Odessa. Vincenzo Leone / RSI

«Wir wollten zunächst herausfinden, ob es in unserem Gebiet genug Sonne gibt, damit sich die Pflanze so weit entwickeln kann, dass sie sich von selbst öffnet», erzählt Alla Stoyanova, Präsidentin der Nichtregierungs­organisation «Agrarians of Odeshchyna». Die NGO verfolgt den Verlauf des Experiments aufmerksam.

Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und weissem Blazer, mit Baumwolle in der Hand, steht vor einer grauen Wand.
Legende: Alla Stoyanova, Präsidentin der Nichtregierungsorganisation «Agrarians of Odeshchyna». Vincenzo Leone / RSI

Das Experiment habe funktioniert. «Im ersten Jahr ist es uns gelungen: Wir haben gesehen, dass Baumwolle in unserem Land angebaut werden kann, da sich die Kapseln öffnen. Dieses Jahr haben wir uns bereits mehr auf spezifische Sorten konzentriert», erklärt Stoyanova.

Die Sorten werden von einem staatlichen Institut untersucht, dem «Ukrainian Institute for Plant Variety Examination». Dieses wissenschaftliche Institut hat seinen Sitz in Kiew und beschäftigt etwa 700 Mitarbeitende.

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Hier werden die Daten zum Ertrag mit denjenigen aus anderen Produzentenländern abgeglichen. Ziel ist es zu bewerten, ob die Produktion ausgeweitet werden kann oder ob es bei einem Pilotprojekt bleibt. «Das letzte Jahr war ziemlich erfolgreich. Es hat gezeigt, dass Baumwolle wachsen und ausreichende Erträge liefern kann. Wir können im Prinzip ein Niveau erreichen, das mit den durchschnittlichen Erträgen anderer Länder vergleichbar ist», erklärt Serhii Melnyk. Der Direktor des Instituts betont, dass Baumwolle vielfältige Verwendungsmöglichkeiten hat: von Militäruniformen bis zur Lebensmittelindustrie, in Futtermitteln und eben auch für Schiesspulver.

Ein Mann mit Anzug und Krawatte steht in einem Büro vor der ukrainischen Flagge.
Legende: Serhii Melnyk, Direktor des ukrainischen Instituts für Pflanzensortenprüfung. Vincenzo Leone / RSI

Das Ziel ist nun, die Daten des zweiten Jahres zu analysieren, das Projekt ins dritte Jahr zu bringen und dann in die Grossproduktion zu gehen. Die Tests gehen in den Regionen Odessa, Mykolajiw und Cherson weiter, wobei Landwirte, die mit dieser Kulturpflanze experimentieren möchten, ein Anreizprogramm erhalten.

Das oberste Ziel sei es laut Cherniavskyy, 10'000 Hektar Anbaufläche zu erreichen. Dies würde eine industrielle Produktion ermöglichen, die Abhängigkeit von Importen verringern und die ländliche Wirtschaft wiederbeleben.

 

 

 

RSI; RSI Info; 30.11.2025; 11:52 Uhr; sten

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