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Nationales Sepsis-Programm Das stille Sterben in Spitälern wegen Blutvergiftungen

Jedes Jahr sterben in Schweizer Spitälern 4000 Menschen an Sepsis, einer abnormalen und unkontrollierten Reaktion des Körpers auf eine Infektion. Diese Zahl stammt aus einem Bericht, der am Donnerstag im Rahmen des nationalen Programms gegen Sepsis veröffentlicht wurde.

«Die Gefahren der Sepsis werden immer noch unterschätzt», warnt Nora Lüthi, Erstautorin des Berichts und Leiterin des nationalen Programms gegen Sepsis, gemäss einer Mitteilung. Dabei sind Sepsis-Fälle, umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt, genauso häufig wie Hirnschläge und Herzinfarkte.

Was es auch Sicht von Ärzten gegen Sepsis zu tun gilt

Der Bericht erfasst nur Kranke, die in Spitälern behandelt werden. Man könne davon ausgehen, dass nicht alle Fälle entdeckt und gezählt werden, heisst es in der Mitteilung. Die Krankheitslast der Sepsis in der Schweiz «könnte noch viel grösser sein».

Bei Sepsis handelt es sich um eine unverhältnismässige Reaktion des Körpers auf eine Infektion, die lebenswichtige Organe schädigt. Sie verläuft in 20 Prozent der Fälle, die in Spitälern behandelt werden, tödlich. Das entspricht 4000 Todesfällen pro Jahr. Alle Altersgruppen sind betroffen, aber am meisten gefährdet sind ältere Menschen und Säuglinge.

Eine noch unbekannte Infektion

Vor zwölf Jahren kehrt Jeanne-Chantal de Flaugergue, eine ehemalige Angestellte des Universitätsspitals Lausanne (CHUV), krank aus Asien zurück. Die Diagnose lautete auf Lungenentzündung. «Man behandelte mich mit Antibiotika», berichtet sie gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). «Aber während der Nacht fiel ich ins Koma. Man brachte mich ins Spital. Dort leiteten die Ärzte eine Intensivbehandlung ein, ich schwebte während langer Zeit zwischen Leben und Tod. Drei Wochen später wachte ich auf, in einem sehr geschwächten Zustand.»

In Wirklichkeit war das, was sie erlitten hatte, eine Sepsis, eine extreme Reaktion des Körpers auf eine Infektion, die ein Koma und Organversagen verursachen kann. Die Krankheit zeige sich «in Form sehr verschiedener Symptome, die schwer zu erkennen sind», erläutert Sylvain Meylan, Arzt am CHUV, der ebenfalls am nationalen Programm gegen Sepsis beteiligt ist. Insgesamt sei es eine Art Überreaktion des Körpers, die «potenziell tödlich ist».

Beträchtliche Kosten

Die durch Sepsis verursachten Kosten belasten das Schweizer Gesundheitssystem. Etwa 40 Prozent der Fälle, die im Spital diagnostiziert werden, landen auf der Intensivstation. Laut dem Bericht beläuft sich die Rechnung im Durchschnitt auf 50'000 Franken pro Fall. Bei 20'000 jährlichen Hospitalisationen erreicht die Gesamtsumme somit eine Milliarde Franken.

Zieht man Rehabilitation, Nachbetreuung und Behandlung langfristiger Komplikationen mit in die Rechnung ein, verdoppeln sich die Kosten auf rund zwei Milliarden Franken. Hinzu kommen die Kosten für allfällige Langzeit-Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Gesundheit, die durch eine Sepsis verursacht werden können.

«Die Sepsis stellt eine grosse Bedrohung dar und kostet die Gesellschaft enorm viel», betont Luregn Schlapbach, Chefarzt der Intensivstation des Universitäts-Kinderspitals Zürich und Mitautor der Studie. Seiner Ansicht nach sollte dieser Krankheit «dringend» mehr Bedeutung beigemessen werden. Der Schweiz fehle «eine nationale Koordination der Sepsis-Forschung, damit die Ergebnisse schneller die Behandlungen beeinflussen».

RTS 19h30, 11.09.2025, 19:30 Uhr; noes

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