Zum Inhalt springen

Schweizer Erfindung Der Umweg übers All verhalf dem Klettverschluss zum Durchbruch

Zuerst reagierte die Welt mit Ablehnung auf die Erfindung des Schweizer Ingenieurs George de Mestral. In den 1950er-Jahren liess er den Klettverschluss patentieren. Aber erst, als es bei den Apollo-Mondmissionen und im Sport eingesetzt wurde, erlangte das Produkt grosse Popularität.

Er ist praktisch, wenn auch nicht elegant. Fast täglich haben wir damit zu tun. Der Klettverschluss gehört laut einer internationalen Jury zu den 50 wichtigsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts.

Das Prinzip ist einfach: ein flauschiges Band auf der einen Seite und eines mit winzigen Haken auf der anderen. Drückt man sie aufeinander, bleiben sie miteinander verbunden und können nur mit Kraft auseinandergezogen werden.

Eine Frau fixiert mit Klettverschlüssen eine Beinschiene.
Legende: Aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken: der Klettverschluss, hier zum Fixieren einer Beinschiene. Keystone / Gaetan Bally

Es war 1941, als George de Mestral, ein 34-jähriger Elektroingenieur aus dem Kanton Waadt, mit seinem Hund im Wald zur Jagd ging. Bei seiner Rückkehr ärgerte er sich über die Samen der Grossen Klette, die sich an seinem Hund und seiner Kleidung festgeheftet hatten.

Sie weckten aber auch sein Interesse: Als er die Samen unter dem Mikroskop untersuchte, erkannte er, dass sie keine Dornen, sondern Hunderte winziger Widerhaken besassen, die sie an Stoff und Fell haften liessen.

De Mestral verbrachte Jahre in seiner Werkstatt und versuchte, ein mechanisches Verschluss-System zu entwickeln, das auf der Form der Widerhaken und ihrem textilen Gegenstück beruhte.

Georges de Mestral, 1959 in Nyon, mit seiner Erfindung, dem Klettverschluss.
Legende: Georges de Mestral 1959 in Nyon mit seiner Erfindung, dem Klettverschluss. Keystone / Alain Gassmann

Schliesslich stellte er einen Prototyp her und reichte ihn 1951 unter dem Namen «Velcro» zur Patentierung ein – die Bezeichnung ist eine Kombination der französischen Wörter «velours» (Samt) und «crochet» (Haken). Am 16. März 1954 wurde ihm in der Schweiz das Patent erteilt.

Aber de Mestral hatte noch eine grosse Hürde zu überwinden: Wie sollte seine Erfindung industriell hergestellt werden? Er gab seinen Job auf, beschaffte sich Kapital und machte sich auf die Suche nach einem Hersteller für die innovative Maschine, die er benötigte.

Nach jahrelangen Versuchen konnte schliesslich ein Schweizer Textilmaschinenhersteller das Problem lösen, wie die «Schweizer Filmwochenschau», eine Vorläuferin der SRF-«Tagesschau», 1959 berichtete. «Gürtel mit dem neuen Verschluss sind absolut zuverlässig», schwärmte der Fernsehjournalist.

Umwege über den Weltraum

Die Modeindustrie begegnete der Erfindung allerdings mit Ablehnung, und das Produkt floppte. «Es war äusserst nützlich, aber auch äusserst hässlich», schrieb das US-Magazin «Mental Floss». Die einzige Gruppe, die sich dafür interessiere, sei die aufstrebende Raumfahrtindustrie.

Bei der ersten Mondlandung 1969 kam das neue Verschluss-System zum Einsatz. Die Fernsehberichte, die unter anderem zeigten, wie die Astronauten mit Klettverschlüssen arbeiteten, weckten weltweit Interesse.

Das System wurde zum Synonym für Hightech und Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen. Es wurde für Sportausrüstungen, Kinderschuhen, orthopädischen Schienen, Freizeitkleidung und Campingausrüstung verwendet.

Dank der Streetwear der Skater- und Hip-Hop-Szene wurde der Klettverschluss in den 1980er- und 1990er-Jahren massentauglich. Sneaker mit Klettverschlüssen wurden Kult.

Schliesslich stieg auch die Modeindustrie ein und setzt seither den Verschluss in ihren Designs immer häufiger ein – sogar in der Haute Couture, die zuvor die Nase darüber gerümpft hatte.

George de Mestral wurde durch seine Erfindung nicht reich. Er starb 1990 im Alter von 82 Jahren.

Regionaljournal Bern, 26.06.2025, 17:30 Uhr; sten

Meistgelesene Artikel