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Tessin Häusliche Gewalt: Warum das Gesundheitspersonal entscheidend ist

Das Gesundheitspersonal spielt eine entscheidende Rolle bei der Erkennung von Fällen häuslicher Gewalt. Das zeigen aktuelle Zahlen des Tessiner Kantonsspitals.

Häusliche Gewalt und Misshandlungen von Minderjährigen im familiären Umfeld sind auch im Tessin immer noch ein Problem. Diese Woche wurde bekannt, dass Mitarbeitende des Gesundheitswesens einen Gemeindepolizisten der häuslichen Gewalt verdächtigten, was schliesslich zu Untersuchungen gegen den Mann führte. Diese ergaben Hinweise auf einen möglichen sexuellen Kindesmissbrauch ausserhalb des familiären Kontextes. Der Polizist wurde festgenommen.

Das ganze Interview mit Dr. Alessandro Bianchi (dt. Untertitel)

Das Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI) hat darüber mit Alessandro Bianchi gesprochen, der bei der Notaufnahme des Tessiner Kantonsspitals die Arbeitsgruppe für häusliche Gewalt koordiniert.

«2024 haben wir etwa 230 Fälle von häuslicher Gewalt erfasst: Die Opfer sind überwiegend weiblich, etwa 80 Prozent. Diese Zahl entspricht der internationalen Literatur zu diesem Thema. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 haben wir bereits 80 Fälle registriert; diese Proportionen bleiben im Wesentlichen unverändert.»

Weniger Fälle durch bessere Schulungen

Bianchi sagt aber auch, dass die Fälle häuslicher Gewalt, die die Notaufnahme seit 2021 erfasse, über die Jahre abnehmen würden. Ein Grund sei, dass man «viel Schulungsarbeit mit dem Pflegefachpersonal sowie den Ärztinnen und Ärzten der Notaufnahme geleistet hat, um Fälle häuslicher Gewalt zu erkennen. Die Statistik wird nach und nach verfeinert und Fälle, die tatsächlich keine häusliche Gewalt sind, werden entfernt.»

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Betroffene Personen haben auch die Möglichkeit, die Polizei zu kontaktieren, falls sie Anzeige erstatten möchten. «Als Spital bieten wir vor allem einen sicheren Raum, wo dem Gewaltopfer geglaubt wird und es die nötige Behandlung erhält. Wir bieten auch an, die Polizei zu kontaktieren, die das Opfer direkt in der Notaufnahme anhören kann», so Bianchi. «Im Gegensatz zu früher machen wir keine Meldungen von Amts wegen und gegen den Willen des Opfers. Die Polizei kann eingreifen, um das Opfer vor dem Täter zu schützen oder eine andere Lösung zu finden, zum Beispiel in einem Frauenhaus. Jeder Fall wird spezifisch analysiert und betreut.»

Einbezug der Pädiatrie

Wenn sich unter den Opfern Minderjährige befänden, würden auch die Kolleginnen und Kollegen der Kinderabteilung einbezogen. «In der Pädiatrie haben wir seit mehr als 15 Jahren eine Gruppe, die sich mit Kindesmisshandlung befasst [...]. Oft schlagen wir der Mutter eine gemeinsame Betreuung zusammen mit den Kindern vor, oder wir suchen nach der besten Strategie, um den Minderjährigen und dem Opfer zu helfen.»

Die Fachhochschule Südschweiz (Supsi) hat überdies in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin einen weiterführenden Studiengang eingerichtet, der forensische Pflegefachpersonen ausbildet. Die Idee dafür kommt aus den Kantonen Zürich und Waadt, wo es das bereits gibt.  

RSI; Seidisera; 29.7.2025; 18 Uhr; flal;sten ; 

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