Von US-Produkten wollen über drei Fünftel der Konsumentinnen und Konsumenten in fünf europäischen Ländern aktuell wenig wissen. Der Verzicht ist eine Reaktion auf die US-Strafzölle. Das geht aus einer aktuellen Umfrage in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien hervor. Durchgeführt hat sie das Marktforschungsinstitut Yougov im Auftrag des Onlinehändlers Galaxus zwischen dem 22. April und dem 6. Mai bei 5263 Personen.
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Deutliche Ressentiments zeigten die Befragten in der Schweiz und Österreich, wo 69 Prozent gezielt europäische Alternativen für US-Produkte und -Dienstleistungen kaufen würden. Noch höher fiel der Wert mit 70 Prozent in Italien aus.
Wo der Boykott seine Grenzen hat
Allerdings ist das mit einem grossen Aber versehen, wie Galaxus mitteilte. Sobald es ans Portemonnaie geht, schwindet die Entschlossenheit zu «Europe First». In der Schweiz erklärten gerade einmal zehn Prozent, dass sie für ein Nicht-US-Produkt einen höheren Preis akzeptieren würden.
Das bestätigt auch Barbara Antonioli Mantegazzini, ordentliche Professorin für Finanzwissenschaft und Nachhaltigkeitspolitik an der Supsi (Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana). Gegenüber dem Fernsehen und Radio der italienischsprachigen Schweiz (RSI) sagt sie, es sei «ziemlich schwierig, dass die Konsumverweigerung auf Dauer anhält», wenn die vom Boykott betroffenen Güter «keine leicht auf dem Markt erhältlichen Alternativen» hätten, die auch in Bezug auf Qualität und Preise vergleichbar seien.
Teils erhebliche Auswirkungen
Auch wenn die Folgen von Boykotten oft nur von kurzer Dauer seien, «können sie in einigen Fällen auch mittel- bis langfristig erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere in Bezug auf das Ansehen», sagt Mantegazzini.
Wie im Fall einer bekannten Biermarke, die nach einer umstrittenen Werbekampagne boykottiert wurde und im ersten Monat einen Umsatzrückgang von 26 Prozent verzeichnete sowie ihre führende Position auf dem US-Markt verlor. Das sei, so die Professorin, ein repräsentatives Beispiel dafür, «wie eine Boykottaktion, selbst wenn sie zeitlich begrenzt ist, auch über längere Zeiträume wirtschaftliche und rufschädigende Auswirkungen haben kann».
Für Mantegazzini stellt Boykott eine Form des Drucks von unten dar. Er könne das Verhalten von Unternehmen beeinflussen und auch öffentliche Debatten anregen. Sie fügt jedoch hinzu, dass seine Auswirkungen weit über die erklärten Ziele hinausgehen könnten.
Warnung vor unerwünschten Folgen
So war ein grosser multinationaler Kaffeekonzern in den letzten Jahren mit Vorwürfen gewerkschaftsfeindlicher Politik konfrontiert. Nach gleich mehreren Boykotten schrumpften die Umsätze, das Unternehmen kündigte «die Schliessung mehrerer Verkaufsstellen mit einer Reihe von Arbeitsplatzverlusten» an.
Ebenso kontraproduktiv könne der Boykott sein, wenn dieser Werke in Europa treffe, die die US-Produkte herstellten. Auch hier könne die Folge eine «Reduktion der Produktion an Standorten sein, die vielleicht nicht die sind, die man sich vorgestellt hat», und der Boykott könne mögliche Auswirkungen auf deren Arbeitskräfte haben. Quasi ein Bumerangeffekt für die Länder, die man vor der US-Politik schützen möchte.