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Ukraine-Krieg Kiew: Wenn sich auch Zivilisten auf den Kampf vorbereiten

In der Ukraine trainieren immer mehr Zivilpersonen die militärischen Grundkenntnisse – etwa das Entschärfen einer Mine oder das Zerstören eines Panzers mittels Drohne.

Die Theorielektion endet, dann trifft man sich draussen. Im Laufschritt in Reih und Glied mit einem Spaten in der Hand, um den Boden auszuheben. Hinlegen, den Anweisungen folgen und in wenigen Minuten einen Schützengraben ausheben. Ringsum das Echo der Schüsse und das Summen von Drohnen.

Es ist kein Training für eine militärische Einheit. Ausserhalb von Kiew treffen sich einfache Zivilisten, um zu lernen, wie man Minen entschärft, Maschinengewehre nachlädt, einen Druckverband anlegt und mit Drohnen Panzer zerstört. All das ist Teil der 17 Module des Trainingskurses des «Center for Preparing the Population for the National Resistance».

Die RSI-Reportage aus Kiew (mit dt. Untertiteln):

Die Teilnehmer wollen lernen, wie man eine militärische Einstellung entwickelt, um sich zu verteidigen, falls russische Truppen wieder gegen Kiew ziehen – wie bereits vor drei Jahren. «Wir sind ein operatives Zentrum in der Oblast Kiew und waren teilweise besetzt», erzählt die Sprecherin des Zentrums. «Die Menschen hier erinnern sich daran und befürchten, dass es sich wiederholen könnte.»

Von der Universität zur Tarnkleidung

«Wir arbeiten nicht mit den Rekrutierungsbüros zusammen. Wir sammeln Anmeldungen über Instagram», erklärt die Sprecherin weiter. Jedes Wochenende kommen hier und in den Bezirken Butscha und Wyschhorod etwa 120 Personen zusammen. Die meisten von ihnen sind Männer und Frauen zwischen 25 und 30 Jahren. Es sind Menschen, die sonst am Steuer eines Lieferwagens sitzen oder einen Uni-Abschluss haben und sonntags Tarnkleidung anziehen.

«Viele Leute kennen nicht einmal die grundlegendsten Begriffe», erzählt Denys mit dem Abzeichen der Dritten Sturmbrigade am Arm. Er hat in Donezk und Bachmut gekämpft, wurde verwundet und ist heute einer der Lehrer des Zentrums.

Heute spricht er über die Bedeutung der Sprengstoffmodule. «Wir bilden sie so aus, dass sie, wenn sie in einem Park spazieren gehen und auf ein verdächtiges Paket stossen, es nicht mit den Händen berühren», erzählt er, «um nicht zu riskieren, in die Luft gesprengt zu werden.»

21-jähriger Veteran

Auf diese Weise «verlieren sie nicht ihr Leben aufgrund von Unerfahrenheit», erklärt Maksym, ein Ausbilder und Verantwortlicher des Zentrums. Mit 21 Jahren ist Maksym bereits ein Veteran. Auf seiner Brust trägt er zwei Abzeichen der Asow-Brigade. Er habe in Mariupol gekämpft, sagt er, und sei russischer Gefangener gewesen.

Für ihn ist es wichtig, dieses Wissen zu vermitteln, weil «in einem Land im Krieg die Bevölkerung unbedingt militarisiert werden muss». Er erzählt, dass er die Gräueltaten von Mariupol gegen Zivilisten und Militärs mit eigenen Augen gesehen hat. «Es spielt für sie keine Rolle, ob du ein Zivilist, ein Kind, eine Frau oder ein älterer Mensch bist, für sie macht das keinen Unterschied.»

Die Sirenen und die Angriffe mit Drohnen und Raketen auf Kiew erinnern auch hier daran. Der Krieg wird in Schützengräben geführt und unter Einsatz aller möglichen Mittel, mit 77'000 Angriffen gegen russische Ziele im März, ausschliesslich mit Drohnen. Aber der Widerstand, so ist Maksym überzeugt, muss auf allen Ebenen organisiert werden. «Die Menschen müssen im grossen Massstab vorbereitet werden», betont er. «Das ganze Land muss diese Art von Training auf staatlicher Ebene durchführen und die Bevölkerung vorbereiten.»

RSI Info / 22.04.2025 / 11:34 Uhr;brus

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