Allen reden nur noch von «Work-Life-Balance», vor allem die Jüngeren, und niemand will mehr richtig arbeiten: Dieses Klagelied hört man zuweilen aus Wirtschaftskreisen. Sie treffen damit durchaus einen Punkt.
Das zeigen bisher unveröffentlichte Resultate der Meinungsumfrage «Wie geht's, Schweiz?» der SRG. Sie wurde letztes Jahr vom Institut GFS Bern im Auftrag der SRG durchgeführt. Über 50'000 Menschen nahmen daran teil.
Acht verschiedene Lebensmottos standen darin zur Auswahl. Die Befragten mussten angeben, welches der acht Lebensmottos für sie am meisten zählt. 83 Prozent konnten sich mit einem der angegebenen Mottos identifizieren.
Die Antworten überraschen teils. Was man zuvorderst vermuten würde, kommt ganz am Schluss: das Motto «Hauptsache: Erfolg!» Nach gängiger Vorstellung in diesem Land ist Erfolg am ehesten mit Arbeit zu erreichen, und punkto Arbeitseifer gehört die Schweiz bekanntlich zur Weltspitze.
Trotzdem liegt der Erfolg in der Rangliste der acht Lebensmottos auf dem zweitletzten Platz. Nur das Motto «Hauptsache: Man erinnert sich an mich!» hat für noch weniger Menschen in der Schweiz Priorität.
Weit vorne auf Platz zwei liegt dafür ein Lebensmotto, das gar nicht zum Klischee-Bild der Schweizerinnen und Schweizer passt und gewissermassen die Antithese ist zur Leistungsgesellschaft: «Hauptsache: Ich geniesse das Leben!»
Jüngere und Romands scheren aus
Was ist der Grund für diese verkehrte Welt? Sind das jetzt die neuen Werte der jüngeren Generationen, die hier durchschlagen?
In der Tat steht für die Jüngeren, also die 16- bis 39-Jährigen, das Lebensmotto «Hauptsache: Ich geniesse das Leben!» klar an erster Stelle – im Unterschied zu den anderen Altersgruppen. Unter den Sprachregionen ist die Romandie die einzige, die ebenfalls dieses Motto am höchsten gewichtet.
Für die Über-40-Jährigen und für die nicht französischen Landesteile steht hingegen ein anderes Lebensmotto zuoberst: «Hauptsache: ehrlich!» Am deutlichsten ist die Zustimmung dazu bei den Über-65-Jährigen und im Tessin. Die Jüngeren nehmen es dagegen mit der Ehrlichkeit weniger genau. Die Aussage «Ich lüge andere Menschen öfters an, als ich eigentlich will» trifft für 18 Prozent der 16- bis 39-Jährigen vollständig oder eher zu, bei den Über-65-Jährigen nur für 4 Prozent.
Es gibt noch ein weiteres Lebensmotto, das in der Rangliste überraschend weit hinten platziert ist: «Hauptsache: fit!» Obwohl das Thema der Gesundheitsoptimierung omnipräsent ist, scheint es für die meisten Menschen in diesem Land doch nicht das zu sein, worauf es im Leben wirklich ankommt. «Hauptsache: tragfähige Beziehungen» und «Hauptsache: Ich kann anderen helfen» haben sogar noch mehr Zustimmung erhalten.