Dinosaurier sind seit Millionen Jahren ausgestorben – und doch leben sie. Im Film. Im Roman. Im Kinderzimmer. Dinosaurier-Skelette erreichen auf Auktionen Rekordpreise, und gerade ist der neuste Teil von «Jurassic World» angelaufen. Dinos seien seit jeher eine ideale Projektionsfläche für die Gesellschaft, sagt der Künstler und Kulturwissenschafter Alexis Dworsky von der Kunstuniversität Linz.
SRF News: Warum ist die Begeisterung für Dinos ungebrochen gross?
Alexis Dworsky: Dinosaurier sind gross, wild und mächtig und trotzdem können sie niemandem etwas anhaben, weil sie seit Jahrmillionen ausgestorben sind. Das fühlen wir uns selber stark und gross – und das begeistert.
In Filmen und Büchern werden Dinosaurier oft als schreckliche Wesen dargestellt, gleichzeitig zieren sie Kinderpyjamas. Wie geht das zusammen?
Eine einzige Erklärung reicht nicht. Es ist wohl die Faszination über etwas Grosses und Monströses. Die Kinder wähnen sich bei den Dinosauriern in ihrer eigenen Welt, in der sie sich viel besser auskennen als die Erwachsenen.
Der Dinosaurier-Hype hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert in England. Wie kommt das?
Damals wurden Dinosaurierfossilien entdeckt und erstmals einst tatsächlich lebenden Tieren zugeschrieben. Zur Weltausstellung in Grossbritannien wurden riesige Saurierrekonstruktionen unter freiem Himmel gezeigt. Es wurde mit den hausgrossen Dinosauriern das Bild von trägen und schwerfälligen Lebewesen vermittelt.
Nach Ihren Worten bildet die Darstellung von Dinosauriern stets auch das gesellschaftliche Selbstverständnis ab. Was meinen Sie damit?
Darstellung und Vorstellung von Dinosauriern hängen stark zusammen, weil niemand je einem lebendigen Tier begegnet ist. Der Dinosaurier ist damit immer auch eine Projektionsfläche, auf welche die heutige Zeit in die Urwelt transferiert wird. Etwa zur Zeit des Kalten Krieges, als zwei Blöcke von Dinosauriern gegeneinander kämpften, nämlich die guten Pflanzenfresser gegen die bösen Fleischfresser.
Wie sieht der Dinosaurier der heutigen Zeit aus und was sagt er über unsere Gesellschaft aus?
Während früher Dinosaurier immer nur einem typischen Bild gefolgt sind, ist das heute vielgestaltig. Es gibt kleine und grosse, bunte und graue, böse und liebe. Genauso, wie die heutige Welt nicht mehr von einem Zentrum ausgeht, wird die Urwelt als mannigfaltige Vielfalt gesehen.
Dinosaurier bieten jede Menge Platz für Projektionen und allerlei Fantasien.
Wird man dem Dinosaurier gerecht, wenn er in der Gesellschaft so wandelbar ist?
Es gibt unzählige Fossilien von Dinosauriern, die sich während Jahrmillionen weiterentwickelt haben. Da gibt es jede Menge Platz für Projektionen und allerlei Fantasien. So kommen immer wieder neue Sachen zum Vorschein und es werden immer wieder neue Sachen nicht nur gefunden, sondern auch erfunden.
Woher kommt Ihre eigene Faszination für Dinosaurier?
Eigentlich habe ich mich als Kind nie wirklich für Dinosaurier interessiert. Das kam erst viel später im Studium und bei meiner Doktorarbeit. Da gab es so eine komische Geschichte, als ich aus den Knochen eines Hasenbratens so etwas wie einen typischen Dinosaurier zusammengesteckt habe. Da ging es los und ich fragte mich, ob man vielleicht diese Rekonstruktionen in den Museen ähnlich zusammensteckt. Das hat mich nicht mehr losgelassen.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.