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Frauen in den Medien Wenn Expertinnen wegen ihres Geschlechts abgewertet werden

Die Expertise von Frauen werde nach Medienauftritten oft marginalisiert, sagt Professorin Sophie Mützel.

Sie sind Rechtsprofessorinnen, Politologinnen oder Naturwissenschaftlerinnen. Sie haben Professuren inne, forschen auf ihrem Fachgebiet und geben ihr Wissen, das sie sich über Jahre oder gar Jahrzehnte angeeignet haben, weiter.

Eine Kamera filmt eine Frau. Sie ist verschwommen dargestellt, die Kamera scharf.
Legende: Treten Frauen vor die Medien, sind nicht selten sexistische Reaktionen die Folge. KEYSTONE/Peter Klaunzer

Frauen haben Expertise. Und doch wird ihnen diese regelmässig abgesprochen. Nicht auf einer inhaltlichen Ebene. Sondern, weil sie Frauen sind.

Als Expertin nicht akzeptiert

Bringen Frauen in den Medien ihr Wissen ein, fallen die Reaktionen häufig härter aus als bei ihren männlichen Kollegen. Dies war etwa während der Hochphase der Corona-Pandemie so und ist auch jetzt während des Kriegs in der Ukraine zu beobachten.

Es gilt zu betonen: Auch männlichen Experten schlägt nach Medienberichten oft ein rauer Wind entgegen. Das Geschlecht, das zeigen Hintergrundgespräche, spielt aber keine Rolle. Nicht ausgeklammert werden dürfen auch Personen, die sich im binären Geschlechtersystem nicht repräsentiert sehen oder Fachpersonen mit Migrationshintergrund.

Frauen werden immer noch ganz bestimmte Eigenschaften zugeschrieben.
Autor: Sophie Mützel Professorin für Soziologie

Doch der frauenspezifische Aspekt fällt auf. Das sieht auch Sophie Mützel. Die Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Medien und Netzwerke an der Universität Luzern sagt: «Frauen werden immer noch ganz bestimmte Eigenschaften zugeschrieben.» Es gehe um Stereotypen, um Bilder im Kopf, die sagen: Frauen seien zwar gut im Organisieren und hätten sicher auch in den Familien eine wichtige Rolle. «Aber ihre Rolle als Expertin wird häufig nicht akzeptiert», erklärt Mützel.

«Damit Experten die Fakten durchgeben»

Für diesen Artikel wurden Hintergrundgespräche mit vielen Frauen geführt, die in den Medien Auskunft geben. Nicht alle wollen zitiert werden. Sarah Progin-Theuerkauf hat sich dafür entschieden. Seit 14 Jahren ist sie Professorin für Europarecht und europäisches Migrationsrecht, ihre Publikationsliste erstreckt sich über sieben Seiten, beinhaltet über 170 Beiträge.

Und doch diese Mail: «Gehen Sie an die Front. Damit die Experten Ihnen die Fakten und den Tarif durchgeben.» Mit «Front» ist wohl die Aussengrenze des Schengenraums gemeint, auf weitere sexistische Ausführungen wird an dieser Stelle verzichtet. Für Progin-Theuerkauf ist das kein Einzelfall. Sie sagt: «Es kommt durchaus vor, dass ich nach Interviews Drohmails erhalte.» Nicht immer verbinde sie diese mit ihrem Geschlecht.

«Die Selbstzensur hat sicher zugenommen»

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Jede Frau habe schon einmal erlebt, wegen ihres Geschlechts abgewertet zu werden, sagt die Soziologin Sophie Mützel. Passiert dies in einem öffentlichen Raum – etwa, nachdem sie sich in den Medien zu einem Thema als Expertin geäussert haben –, hat dies eine verstärkende Wirkung. Kann es daher sein, dass Frauen deshalb zurückhaltender sind, wenn sie für eine Medienauskunft angefragt werden?

Dieser Punkt scheint nicht irrelevant. So sagt etwa die Migrationsrechtsexpertin Sarah Progin-Theuerkauf: «Leider zögere ich immer wieder, ob ich mich überhaupt öffentlich äussern soll.» Die Völkerrechtsprofessorin Anna Petrig führt derweil aus: «Bisher hat dies für mich keine Rolle gespielt.» Allerdings habe sie sich auch schon die Frage gestellt, an wen sie sich wenden könnte, wenn es zu heftigen Reaktionen oder gar Drohungen kommen sollte.

Sophie Mützel erklärt, dass sich die Kommunikation grundlegend verändert habe. «Man gerät viel schneller in die mediale Präsenz als früher», führt sie aus. Dies habe vor allem mit dem Aufkommen der sozialen Medien zu tun. So sei eine neue Öffentlichkeit entstanden, in welcher sich insbesondere Frauen mehr Gedanken machen würden, ob sie sich darin bewegen wollen. «Die Selbstzensur hat sicher zugenommen», so Mützel.

Auch, wenn das Thema bei allen befragten Expertinnen präsent ist, hat keine gesagt, deshalb keine Auskunft geben zu wollen. Im Gegenteil: Vielmehr wurde dies zum Anlass genommen, ihre Expertise noch selbstbewusster zu zeigen. Das freut Mützel, denn sie sagt auch: «Wir geben so viel Geld für die Ausbildung unserer Bevölkerung aus. Es ist einfach schade, wenn wir dieses riesige Potenzial nicht voll ausnützen.»

Auch Völkerrechtsprofessorin Anna Petrig von der Universität Basel erhält negative Rückmeldungen. Sie sagt: «Ein Mann hat mir nach der Veröffentlichung eines Beitrags während drei Stunden in der Nacht im 20-Minuten-Abstand Mails geschrieben.» Dabei wurde sie auch als «Hausmutti» bezeichnet; Petrig wurde also auf ihr Geschlecht reduziert, wodurch ihre Expertise abgewertet wurde.

Frauen sind Vorbilder

Was muss geschehen, damit sich diese Vorurteile ändern? Sophie Mützel sagt: «Es geht vor allem um Rollenvorbilder.» Das bedeutet, dass Frauen als Expertinnen sichtbar gemacht werden. So werden andere Frauen ermutigt, sich der eigenen Fähigkeiten mehr bewusst zu werden und mehr als Expertin in Erscheinung zu treten, womit sich schliesslich die Vorurteile ändern würden.

Audio
Aus dem Archiv: Nur jede vierte Auskunftsperson ist eine Frau
aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 30.08.2021. Bild: SRF (Lea Schuepbach)
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 45 Sekunden.

Hier blickt Mützel positiv in die Zukunft. «Insbesondere die jüngere Generation hat ein anderes Rollenverständnis», sagt sie. Man brauche nun noch etwas Geduld und die richtigen politischen Massnahmen. «Dann wird es selbstverständlich werden, dass Expertise geschlechtsunabhängig ist», sagt die Soziologin.

10 vor 10, 06.02.2023, 21:50 Uhr

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