Martin Beutler steht in den Familiengärten an der Mutachstrasse im Stadtteil Holligen in Bern. Hier soll in ein paar Jahren ein neuer Quartierteil entstehen, 100 preisgünstige Wohnungen «durchmischt, lebendig, ein richtiges Stadtquartier», sagt Beutler, der das Projekt mitinitiiert hat und nun als Sozialplaner amtet.
Das Projekt mit dem Namen «Huebergass» ist neuartig für Bern. Den von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb für das Genossenschaftsprojekt hat nämlich die Halter AG gewonnen, ein Totalunternehmen, das nicht gerade für den Genossenschaftsbau bekannt ist.
Wenn sich grosse Baufirmen für Genossenschaften zu interessieren beginnen, haben wir gewonnen.
«Das ist eine Reaktion auf die neue Bodenpolitik der Stadt Bern», sagt Martin Beutler. Auf eine Politik, die Boden in Stadtbesitz künftig vermehrt für gemeinnützigen Wohnbau einsetzen wolle. «Da wollen die grossen Bauunternehmen Erfahrungen sammeln», sagt Beutler, der die «Huebergass» nun zusammen mit der Halter AG realisiert. In Zürich sei die Realisierung von Genossenschaftsprojekten durch grosse Bauunternehmen längst gang und gäbe.
In der Tat ist in der Stadt Bern ein richtiger Boom des gemeinnützigen Wohnungsbaus zu beobachten. Politisch legitimiert ist er durch das deutliche Ja zur Wohnbauinitiative 2014, gefördert wird er durch eine rot-grün dominierte Stadtregierung, bei der seit einem Jahr auch die zuständige Finanzdirektion wieder in SP-Hand ist. Die Stadt nimmt den gemeinnützigen Wohnungsbau gezielt in ihre Wettbewerbe auf, stellt ihr Land für genossenschaftliches Wohnen zu einem niedrigen Baurechtszins zur Verfügung und baut auch selber gemeinnützige Wohnungen. So sind derzeit viele Projekt am laufen, nebst dem Huebergass-Vorhaben unter anderem auf dem Warmbächliareal oder auf dem Gaswerkareal.
Bei gut 8 Prozent liegt der Anteil der gemeinnützig gebauten Wohnungen in der Stadt Bern, in Zürich ist er etwa doppelt so hoch. «Seit etwa 15 Jahren erleben wir aber wieder einen Schub», sagt Jürg Sollberger, Präsident des Genossenschaftsverbandes Bern-Solothurn.
«Die Städte sind ein attraktiver Lebensraum geworden – kinderfreundlich, verkehrsberuhigt, grün», sagt Sollberger. So sei der Druck gross, in der Stadt wohnen zu können. Da habe die Politik reagieren müssen und schaffe nun geeignete Rahmenbedingungen; zum Beispiel mit einer neuen Strategie für den Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik.
Es gibt in Bern viele neuere Projekte, die für eine Aufbruchsstimmung sorgten. Zum Beispiel die «Via Felsenau». Die Ursprünge der Genossenschaftssiedlung liegt in der 80er-Jugendbewegung. «Da hat die Stadt ihr Land Nonkonformisten gegeben», erzählt Ursula Schneiter von der Baukommission.
Für unsere dritte Ausbauetappe haben wir eine lange Warteliste.
Bei der zweiten Etappe zur Jahrtausendwende habe das genossenschaftliche Wohnen nicht mehr im Trend gelegen, «da hat man hier sogar Leute suchen müssen», sagt Schneiter. Und jetzt plane man eine dritte Etappe und habe eine lange Warteliste. «Den Leuten geht es darum, günstig und gemeinschaftlich zu wohnen und zu leben. Mit einem grünen Umschwung und trotzdem nahe des Stadtzentrums», sagt Ursula Schneiter. Eine ideologische Komponente sei im Vergleich zu den Anfängen kaum mehr dabei.
Ein weiterer Meilenstein in der Stadt Bern ist nun die Überbauung des Viererfeldes. Hier soll die Hälfte der 1100 Wohnungen gemeinnützig gebaut werden. Der Genossenschaftsverband will die Kräfte der verschiedenen interessierten in einer neuen «Hauptstadtgenossenschaft» bündeln.
«Wir erwarten vom Viererfeld einen Schub für das Genossenschaftswesen in der Stadt Bern», sagt der zuständige Gemeinderat Michael Aebersold. Allerdings gibt es auch Mahner. «Wenn die Stadt Land zu niedrigem Baurechtszins vergibt, muss sie dies an klare sozialpolitische Auflagen knüpfen», sagt FDP-Fraktionspräsident Bernhard Eicher.
(SRF 1, Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 6:32 und 17:30 Uhr;liec)