Mit 15 Jahren verliebt sich Nina in Leo, ihren Mitschüler mit albanischen Wurzeln. Die Beziehung beginnt wie viele jugendliche Romanzen: ohne grosse Pläne und Gedanken an die Zukunft. Zu diesem Zeitpunkt hat Nina noch kein Bewusstsein dafür, dass ihre interkulturelle Beziehung auch Herausforderungen bringen wird.
Während Nina alles mit ihren Eltern teilt und keine Geheimnisse hat, handhabt es Leo bei sich zu Hause ganz anders. Für ihn ist es nicht normal, mit seinen Eltern über Beziehungsthemen zu sprechen. Er sagt: «Bei uns in der Kultur ist es eigentlich egal, ob die Freundin Schweizerin oder Albanerin ist oder aus einer anderen Kultur kommt. Wir erzählen zu Hause nicht so früh von der Beziehung.»
Dazu kommt, dass in albanischen Communitys immer wieder «Horrorgeschichten» von interkulturellen Beziehungen erzählt würden.
Meistens mit dem Ausgang einer Trennung, weil das Zusammenführen der beiden Kulturen am Ende doch nicht funktioniere. So kommt es dazu, dass Leo seine Beziehung zu Nina über fünf Jahre lang vor seiner Familie verheimlicht.
Nach fünfeinhalb Jahren ist Leo so weit: Er ist sich sicher, dass Nina seine Frau fürs Leben ist und er möchte seinen Eltern von seiner Beziehung erzählen. Seine Angst, dass seine Eltern die Beziehung nicht akzeptieren würden, stellt sich als unbegründet heraus: Sie respektieren Nina sofort, nehmen sie in der ganzen Familie herzlich auf.
Uns kann nichts so schnell trennen.
Auch wenn das Geheimnis in den ersten Beziehungsjahren zu Streit führt und bei den beiden immer wieder Zweifel auslöst: Sie bleiben zusammen und halten an ihrer Beziehung fest. Heute sagen sie: «Uns kann nichts so schnell trennen.»
«Ich bin nicht für ihn konvertiert»
Nina wächst in einem Schweizer Haushalt auf, in dem Religion und der Glaube an einen Gott keine Rolle spielen. «Sei ein guter Mensch, glücklich, und lebe dein Leben nach deinen Vorstellungen», ist die Botschaft, die Ninas Eltern ihr mitgeben.
Sie bezeichnet sich als Atheistin: Sie glaubt nicht an einen Gott und für sie ist klar, dass nach dem Tod nichts passiert. Doch in einer schweren Sinnkrise entdeckt Nina langsam den Islam für sich. Es beginnt mit einem Selbstexperiment des Fastens, zweimal fastet sie mit ihrem Freund im Ramadan mit – anfangs, wie sie sagt, um zu beweisen, dass man auch als Nichtmuslima beim Ramadan mitmachen könne.
Der Islam konnte mir alle Fragen beantworten. Wir glauben an das Leben nach dem Tod.
Doch während des Fastens spürt sie eine Spiritualität und dass es ihr besser geht, dass die depressiven Gedanken weniger werden. Ein innerer Glaubenskampf beginnt. Nach dem Ramadan geht es Nina wieder schlechter, sie fragt sich immer wieder, was der Sinn des Lebens ist – die Erklärung, mit der sie aufgewachsen ist, befriedigt sie nicht mehr.
Schliesslich beginnt sie, sich intensiv mit dem Islam auseinanderzusetzen, liest Bücher und beschäftigt sich mit der Lehre. Nach rund zwei Jahren entscheidet sich Nina für die Konversion. Sie sagt: «Der Islam konnte mir alle Fragen beantworten. Wir Musliminnen und Muslimen glauben an das Leben nach dem Tod.»
Heute wird sie immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, sie sei nur für ihren muslimischen Freund konvertiert. Das weist die 23-Jährige entschieden von sich: «Ich verstehe nicht, warum man im ersten Moment immer denkt, eine Frau würde für ihren Mann konvertieren. Ich bin mein eigener Mensch.»
«Ich mache doch nicht alles für meinen Freund. Das kränkt mich, denn das Konvertieren ist eine Sache zwischen Gott und mir. Ich kann vor Gott nicht einfach so tun, als würde ich an ihn glauben. So würde meine Konversion gar nicht angenommen werden.»
Dass Nina zum Islam konvertiert ist, schätzt Leo. Eine Voraussetzung für ihre gemeinsame Beziehung sei das aber nicht. «Es war ein grosser Schritt in ihrem Leben, aus eigener Entscheidung. Es ist wichtig zu wissen: Unser Glaube kennt keinen Zwang», sagt Leo. Das Paar geniesst es, den Glauben zu teilen und in den gemeinsamen Alltag zu integrieren.
Konflikt mit den Eltern
Nina ist in ihrem neuen Glauben angekommen und geniesst besonders die Gemeinschaft ihrer Freundinnen, die sie regelmässig in der Moschee trifft. Von ihrer Familie fühlt sie sich nicht verstanden, denn die Konversion zum Islam überfordere ihre Eltern.
Ich wollte nicht, dass sie mich plötzlich mit anderen Augen sehen.
Nina verheimlicht aus Angst vor der Reaktion ihrer Eltern ihren neuen Glauben über neun Monate. Sie räumt heute ein, dass das ein Fehler war und sagt, dass sie das nicht mehr so machen würde.
Die Angst, die Eltern zu enttäuschen, war lange zu gross: «Ich habe es meinen Eltern nicht von Anfang an erzählt. Ich wollte nicht, dass sie mich plötzlich mit anderen Augen sehen», sagt sie.
Während Ninas Mutter anfangs eine Vorahnung hat, verdrängt ihr Vater das Thema. Er sagt, er wollte eine mögliche Konversion seiner Tochter nicht wahrhaben. Als Nina sich den beiden offenbart, sind ihre Eltern schockiert. Die Beziehung der dreien wird auf die Probe gestellt, einige Monate trauen sie sich nicht, richtig über das Thema zu sprechen. Heute haben sie sich wieder angenähert, sprechen offen über Ninas neuen Glauben.
Ihre Eltern akzeptieren ihn und sie wollen alle drei daran arbeiten, Vorurteile abzubauen. Ninas Eltern sagen: «Du bist immer noch die gleiche.» Die Eltern sind glücklich, solange Nina es sei.
Eine starke Community
Nina ist Content Creatorin. Auf Instagram, Youtube und Tiktok folgen ihr über 130'000 Menschen. Auf Social Media spricht sie offen über ihren Glauben und über ihre interkulturelle Beziehung. Über Herausforderungen, aber auch über das Schöne. Mit humorvollen Videos will sie gegen Vorurteile kämpfen, die ihr im Alltag begegnen.
Wie etwa dieses, zu dem sie schreibt: «Die ersten Tage hatte ich Kultur Schock und heute mache ich einige Dinge genau gleich 😗😂 Das ‹fliegende schneiden› oder nur ein Tuch auf den Tisch – gibt nichts Effizienteres 😂».