Fast 900 Stunden stand Reto Lipp im Laufe seiner Karriere vor der Kamera und erklärte der Schweiz, was in der Wirtschaftsbranche besonders hohe Wellen schlägt und warum. Nicht nur die Gespräche mit seinen Talk-Gästen werde er sehr vermissen.
«Am meisten fehlen werden mir meine Kolleginnen und Kollegen. Der Austausch in der Wirtschaftsredaktion oder der kleine Plauderplausch an der Kaffeemaschine», sagt er. Auf die vielen Sitzungen verzichte er hingegen gerne.
«Ein nie endender Weiterbildungskurs»
2007 führte Reto Lipps Weg ihn zum SRF. Zuerst moderierte er das Magazin «Eco» und anschliessend das Nachfolgeformat «Eco Talk». Der Zürcher vergleicht seine Zeit beim Sender mit einem nie endenden Weiterbildungskurs: «Jede Woche hatte ich einen neuen Gast, eine neue Firma, ein neues Thema, auf das ich mich konzentrieren musste. Da lernt man ja ständig etwas dazu.» Seine Spezialität: Komplexes der breiten Masse zugänglich machen. Und weil er das so gut kann, wurde er Wirtschaftsjournalist der Jahre 2011 und 2024.
Der Wechsel vom «Eco» zu «Eco Talk» 2021 bedeutete eine Sendung mit einem Gespräch anstatt eines Magazins mit Beiträgen. Aus einer Redaktion mit rund zehn Personen wurde ein zweiköpfiges Team. Die Veränderung habe auch sein Gutes gehabt. Beim «Eco Talk» sei Reto Lipp viel mehr beim Aufbau der Sendung und bei der Einladung der Gäste involviert gewesen, meint er.
Die Horror-Woche
Die Finanzkrise, die Corona-Pandemie, das Credit-Suisse-Aus. Besonders Letzteres ist bis heute fest in Reto Lipps Erinnerung verankert. Im März 2023 ging die Schweizer Grossbank unter – und Lipp damit fast permanent auf Sendung. Sowohl als Moderator als auch als Experte musste er in dieser Zeit performen. «Ich war nur schnell zum Schlafen und Duschen zuhause, sonst praktisch immer auf der Redaktion», erinnert er sich. Dass eine solche Institution in eine solche Krise schlittern konnte, ist für ihn auch heute noch unfassbar.
Wie weiter?
Heute Montag tritt Reto Lipp seinen letzten Arbeitstag als «Eco Talk»-Moderator an. Darin stehen für einmal weniger Wirtschaftsthemen im Fokus, sondern er und seine Karriere. Der 65-Jährige wechselt die Seite und wird für einmal zum Befragten. Seine Nachfolgerin Eveline Kobler, die am 5. Januar 2026 zum ersten Mal auf Sendung geht, wird ihn interviewen.
«Du musst dein neues Leben umarmen», sagte vor Kurzem ein Bekannter zu Reto Lipp. Dieser machte den Tipp direkt zum Motto seiner Zukunft. So anders wird diese aber wohl gar nicht sein, denn das Moderieren hängt er mit seiner Pensionierung keinesfalls an den Nagel. Er werde weiterhin Kongresse und Panels moderieren sowie seinen Podcast «consumcast» produzieren – und dabei immer neugierig bleiben, sagt er: «Denn Neugier hält aktiv. Und an Neugier fehlt es mir nicht.»