Zum Inhalt springen

Designerdrogen Wie Hersteller von neuen Drogen das Gesetz umgehen

Es gibt immer mehr neue Drogen. Denn um Gesetze zu umgehen, entwickeln Hersteller ständig neue psychoaktive Substanzen und liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden. Einige dieser Drogen sind sogar für eine gewisse Zeit legal und einfach im Internet zu bestellen.

Mehrere Millionen Briefe und Pakete kommen täglich im Briefzentrum in Zürich-Mülligen an. Tanja Brunner, Chefin des Zolls Zürich, sucht nach Drogen, die aus dem Ausland in die Schweiz geliefert werden. Sie packt ein Buch aus und blättert darin.

Es komme häufig vor, dass ein Stück herausgeschnitten werde, um darin Drogen zu schmuggeln. Auch eine Packung Süssigkeiten schaut sie sich genauer an. «Wir haben in letzter Zeit vermehrt Fälle mit Gummibären, die betäubungsmittelhaltig sind», sagt Brunner. Diese seien mit NPS getränkt.

Zöllnerin hält ein Buch in der Hand
Legende: Häufig kommen neue psychoaktive Substanzen aus dem Ausland per Post in die Schweiz. Tanja Brunner, Chefin des Zolls Zürich, erzählt, dass Drogenlieferanten immer wieder Drogen in Büchern schmuggeln würden. SRF

NPS steht für neue psychoaktive Substanzen. Dies sind meist synthetische Stoffe, die auch Designerdrogen oder Research Chemicals genannt werden. Sie werden als Alternativen zu illegalen Drogen wie MDMA oder Kokain konsumiert und ähneln in ihrer chemischen Struktur meistens auch Stoffen, die bereits dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind. Da diese Struktur aber verändert wurde, unterliegen NPS nicht in jedem Fall diesen Regelungen und sind dann für eine gewisse Zeit legal.

Dass es immer neue Zusammensetzungen von Drogen gibt, mache ihren Job immer anspruchsvoller, sagt Brunner. Sie würden neue Drogen melden und diese werden vom Forensischen Institut Zürich analysiert. «In der Zwischenzeit haben sie schon wieder eine neue Zusammensetzung und wir müssen wieder von vorne anfangen.»

Wenn eine Substanz verboten wird, versuchen drei neue, diese Lücke zu füllen.
Autor: Dominique Schori Drogeninformationszentrum Zürich

Dieses Katz-und-Maus-Spiel, das sich die Drogenhersteller mit den Behörden liefern, beobachtet auch Dominique Schori, Teamleiter des Drogeninformationszentrums Zürich (DIZ). «Wenn eine Substanz verboten wird, versuchen drei neue Substanzen, diese Lücke zu füllen.»

Revidiertes Betäubungsmittelgesetz

Box aufklappen Box zuklappen

Mit dem Inkrafttreten des revidierten Betäubungsmittelgesetzes und den entsprechenden Verordnungen hatte der Bundesrat 2011 die Grundlage dafür geschaffen, neue psychoaktive Substanzen der Kontrolle zu unterstellen. Seither werden im Betäubungsmittelverzeichnis über 250 Einzelsubstanzen und Stoffgruppen gelistet, um die Verbreitung neuer psychoaktiver Substanzen zu bekämpften. Trotzdem kommen immer neue Drogen auf den Markt. Von 2010 bis 2021 ist die Anzahl von 162 auf 618 gestiegen.

Quellen: Swissmedic, UN Division on Narcotic Drugs

Durch diese Gesetzeslücke würden Substanzen als legal angepriesen werden, was den Konsumenten und Konsumentinnen suggeriere, dass eine legale Droge weniger gefährlich sei. «Wenn das als Botschaft ankommt, ist das sehr problematisch», sagt Schori.

Drogeninformationszentrum an der Streetparade
Legende: Dominique Schori zeigt der Moderatorin, wie sie vom Drogeninformationszentrum Zürich an der Streetparade Drogen analysieren. SRF

Leo* hat fast 90 verschiedene Substanzen ausprobiert – darunter viele NPS – und die eine oder andere negative Erfahrung gemacht. In einer Silvesternacht habe er NPS mit Alkohol gemischt. «In den Fingern und Füssen hat es gekribbelt und ich hatte Schmerzen im Herz. Da war ich kurz davor, den Notruf zu rufen.» Auch wisse er von zwei Kollegen, die eine Substanz konsumieren wollten und kurz davor gemerkt hätten, dass etwas mit der Konsistenz nicht stimme. «Hätten sie diese gezogen, wären sie gestorben», meint Leo.

Cannabisblüte auf Labortisch
Legende: Bei neuen psychoaktiven Substanzen kommt es immer wieder zu Falschdeklarationen, was auch bei einer Substanz der Fall war, die SRF Impact im Internet bestellt hatte. SRF

Falschdeklaration und Überdosierung gehören zu den grössten Gefahren, die von NPS ausgehen. «SRF Impact» hat selbst eine Droge bestellt. Die Shopbetreiber warben damit, dass die Substanz vom Betäubungsmittelgesetz zurzeit nicht erfasst sei und dadurch legal in der Schweiz vertrieben werden dürfe. Eine Analyse beim Forensischen Institut Zürich zeigte aber, dass in dieser Droge nicht deklarierte Substanzen enthalten waren.

Es kommt sehr oft vor, dass Deklarationen und Packungsaufschriften nicht stimmen.
Autor: Christian Bissig Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forensisches Institut Zürich

Eine davon ist bereits als Betäubungsmittel gelistet. «Es kommt sehr oft vor, dass die Deklarationen nicht stimmen», erzählt Christian Bissig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forensischen Institut Zürich. Die grösste Problematik sieht er darin, dass man kaum etwas über neue psychoaktiven Substanzen wisse. «Konsumenten essen und rauchen diese und wissen nichts über diese Substanz. Das macht den ganzen Bereich gefährlich.»

* Name geändert

«SRF Impact»

Box aufklappen Box zuklappen
Sie sehen das Logo von SRF Impact.
Legende: SRF

So kompliziert und vielschichtig unsere Welt auch ist, wir wollen sie verstehen. Dafür gehen wir auf die Suche nach Antworten: In Reportagen tauchen wir ein in unsere Schweizer Gesellschaft und nehmen dich mit: Gib dir Deep Talk, Zweifel und Lichtblicke mit unseren Hosts Amila Redzic, Livio Carlin und Michelle Feer.

Alle Folgen «SRF Impact» sind auf Play SRF.

SRF 3, 20.9.2023, 17:50 Uhr

Meistgelesene Artikel