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Genderneutrale Sprache Sag, wie hast du es mit dem Gendersternchen?

Genderstern, Binnen-I oder Glottis-Stopp: Ist das ein sinnvoller Kampf gegen Diskriminierung oder sinnlose Bevormundung?

«Liebe Zuschauer, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Zuschauende, liebe Zuschauerin:innen. Wie soll ich Sie ansprechen?» Dies fragt Barbara Lüthi, Moderatorin der SRF-Sendung Club, gleich zu Beginn. 

Studiogast Sieglinde Geisel beispielsweise fühlt sich von der Paarform angesprochen. Wer aber mit Sprache eine Wirkung erzielen oder gar die Welt retten wolle, der sabotiere mit übermässigem Gendern sich selbst, betont die Autorin.

Sprache ist unser Zuhause und prägt, wie wir die Welt sehen und empfinden.
Autor: Anna Rosenwasser LGBTQ-Aktivistin

Kann Sprache die Gesellschaft verändern? «Sprache ist unser Zuhause und prägt, wie wir die Welt sehen und empfinden», sagt LGBTQ-Aktivistin Anna Rosenwasser, die für eine inklusive Sprache plädiert – inklusiv auch für jene, die sich nicht als Mann oder Frau verstehen. «Ich arbeite jeden Tag mit Jugendlichen, die sich selbst ausserhalb der Geschlechter-Binarität verorten.» Für deren Lebensrealität mache es einen grossen Unterschied, ob sie auch angesprochen würden.

«Die Welt, von der sie berichten, ist sehr klein», entgegnet Susanne Brunner, die das generische Maskulinum zu retten versucht. Die Stadtzürcher SVP-Gemeinderätin warnt davor, die Menschen zu überfordern: «Wir stülpen eine Gendersprache über die Bevölkerung.» Das führe zu Unzufriedenheit und grossen Gräben im Land.

SVP-Politikerin Susanne Brunner ist bis vors Bezirksgericht gegangen, um in Vorstössen nicht konsequent gendern zu müssen – und erhielt Recht. Sie plant auch schon den nächsten Coup: Das Anliegen soll vors Volk. «Ich bin dabei, den Initiativtext auszuarbeiten», sagt Brunner.

Auf die Unterschrift von Christa Binswanger, Leiterin des Fachbereichs Gender und Diversity an der Universität St. Gallen, kann Brunner nicht zählen. Sprache sei immer politisch und dabei gehe es auch um Macht, sagt sie: «Wenn wir eine demokratischere Gesellschaft wollen, die mehr Minderheiten einschliesst, dann müssen Minderheiten ansprechen.»

Die Debatte um die Gendersprache wird emotional geführt. Denn es gehe dabei auch um Macht, ist Anna Rosenwasser überzeugt. Die Sprache spiegle immer auch eine Ordnung wider. Und diese Ordnung sei im Moment das generische Maskulinum.

Umstrittenes generisches Maskulinum

Am Zusammenhang zwischen Gendersprache und Gleichstellung zweifelt Rico Bandle: «Mir wurde gesagt, Türkisch sei eine geschlechtsneutrale Sprache. Die Gleichstellung ist dort keinen Schritt weiter», sagt der Sonntagszeitung-Redaktor. Beim Satz «In Barcelona gibt es viele Touristen» denke zudem niemand nur an Männer. «Da wird das Publikum für blöd verkauft», fügt er an.

Regula Messerli, Koordinatorin TV-News SRF, entgegnet: «Unsere Gesellschaft verändert sich und unsere Sprache mit ihr. Wir als SRF sind Teil davon. Es ist nicht an uns, die Sprache zu verändern. Aber es ist an uns, zu merken, dass andere Zeiten herrschen.» SRF verwendet weder den Genderstern noch das generische Maskulinum. 

Es ist nicht an uns, die Sprache zu verändern. Aber es ist an uns, zu merken, dass andere Zeiten herrschen.
Autor: Regula Messerli Koordinatorin TV-News SRF

Allen Gästen gemein ist, dass sie verstanden werden und in der Sprache mitgemeint sein wollen, ob Aktivistin, Politikerin oder Printjournalist – allen liegt die Sprache am Herzen.

Club, 21.06.2022, 22:25 Uhr

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