Jochewed Grossberger lebt in Manchester. Nicht weil sie Engländerin ist, sondern weil sie mit 18 Jahren mit dem Briten Aaron Grossberger verkuppelt wurde. Die beiden wohnen mit ihren fünf Kindern in Prestwich, einem jüdisch geprägten Viertel in Manchester.
Die Singles, die sie als Matchmakerin verkuppelt, seien zwischen 18 und Anfang 20, wenn sie mit dem Daten beginnen. Grossberger erklärt: «Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihren Kindern zur Ehe zur verhelfen. Das ist viel Arbeit und braucht Zeit. Sie flehen mich an, einen passenden Match für ihr Kind zu finden.»
Ablauf Matchmaking
Beim Matchmaking verbringt Jochewed Grossberger die meiste Zeit am Telefon. Eltern kontaktieren sie, wenn ihre Kinder im heiratsfähigen Alter sind. Bei einem ersten Anruf werden Informationen ausgetauscht, dann schicken ihr die Eltern den Lebenslauf ihres Kindes. Darin enthalten sind Informationen wie Alter, Ausbildung, Beruf der Eltern und Charaktereigenschaften. Fast das Wichtigste sind die Referenzen – Menschen, die die junge Person gut zu kennen scheinen.
Sobald Grossberger einen Namen und den Lebenslauf dieser Person hat, vernetzt sie sich mit anderen Matchmakerinnen. Zum Beispiel mit ihrer Freundin Gitty Benjamin: Sie tauschen Ideen aus und unterhalten sich über die Fähigkeiten und Wünsche der Singles, für welche sie die passende Person fürs Leben finden müssen.
Wer passt zu wem? Dabei spielen Aspekte wie Herkunft, Ausbildung und Religiosität eine grosse Rolle. Sobald die Heiratsvermittlerin eine Idee für ein Paar hat, kontaktiert sie die Eltern, die für ihr Kind auf Dating-Suche sind.
Am Telefon lautet ihre erste Frage meistens: «Bist du momentan beschäftigt für deinen Sohn?» Das heisst so viel, wie: Datet dein Sohn gerade jemanden? Jochewed Grossberger ist überzeugt, dass man sich nur mit einem potenziellen Match zur selben Zeit beschäftigen sollte. Wenn also die Antwort auf die erste Frage verneint wird, schlägt sie einen Namen vor und teilt alle nötigen Informationen.
Wenn Interesse seitens der Eltern besteht, schickt Grossberger den Lebenslauf per Whatsapp. Dann liegt es an den Eltern, mithilfe der Referenzen Informationen über die besagte Person zu sammeln.
Wenn für die Eltern, in Absprache mit ihrem Kind, die Person für ein erstes Date zu passen scheint, kommt die Matchmakerin wieder zum Zug. Sie ist dabei stets die Vermittlerin und begleitet das Paar beim Datingprozess. Nach dem ersten Date rufen die Eltern Grossberger an. Zu diesem Zeitpunkt muss sie gut erreichbar sein, denn das sei einer der wichtigsten Momente. Beide Seiten geben Rückmeldung, wie das Treffen gelaufen ist. In der Regel gehe man aber immer auf ein zweites Date – nur schon aus Respekt vor dem Gegenüber.
Ein Paar verlobt sich nicht, weil sie Schmetterlinge im Bauch haben oder verliebt sind, sondern weil sie sich sympathisch finden.
So verläuft der Datingprozess weiter, bis einer der beiden Singles sagt, dass er oder sie sich gerne verloben möchte. «Es müssen sich beide Seiten sicher sein. Die Verlobung findet erst statt, wenn sowohl der junge Mann als auch die junge Frau sagen, dass sie heiraten wollen.» Deshalb sei das auch keine arrangierte Ehe, bekräftigt Grossberger. Oftmals sei es so, dass eine Seite noch ein wenig mehr Zeit benötige, um sich ganz sicher zu sein. Bis dahin werde weiter gedatet.
«Ein Paar verlobt sich nicht, weil sie Schmetterlinge im Bauch haben oder verliebt sind, sondern weil sie sich sympathisch finden», ist die Verkupplerin überzeugt. Die Liebe entstehe erst nach einiger Zeit. Es gehe vorwiegend darum, dieselben Wertvorstellungen und Ziele im Leben zu haben.
Wie es bei ihr und ihrem Mann war, erzählt Grossberger unaufgeregt: «Er war vor mir bereit für die Verlobung. Ich brauchte noch ein wenig länger Zeit. Er war ein toller, netter und aufgestellter junger Mann. Doch ob er der Richtige ist, wusste ich nicht.» Es sei ihr nichts Negatives aufgefallen. Sie hätte also keinen Grund gehabt, Nein zu sagen. «Ich fand ihn unglaublich unkompliziert, er hatte keine hohen Ansprüche und Erwartungen und das habe ich sehr an ihm geschätzt», fügt Grossberger hinzu.
Man müsse sich aber zueinander hingezogen fühlen. Bis am Tag der Hochzeit ist es den Verlobten jedoch untersagt, sich zu berühren. Dies sei auch der Grund, wieso die Verlobungszeit lediglich wenige Monate andauere – drei bis vier Monate, meint die Matchmakerin. «Dann wird geheiratet, sodass wir mit allem loslegen können.»
Die Rolle der Eltern
Wie ist es für Mütter, die dabei sind, ihre Kinder zu verkuppeln? Esther Frenkel lebt mit ihrer Familie in Zürich und ist eine davon. Ihr ältester Sohn wurde von Jochewed Grossberger verkuppelt und ist nun verheiratet, die anderen Söhne sind noch auf der Suche.
Zurzeit sucht sie eine junge Frau für ihren Sohn Michael. Sie führt viele Telefonate: «Ich hasse es. Man ruft wildfremde Menschen an und fragt sie Dinge über noch wildfremdere Menschen.»
Man hofft, damit eine ideale Partnerin zu finden. Auch wenn ich meinen Kindern immer sage, dass es keine ideale Partnerin gibt.
Das Matchmaking laufe vorwiegend über die Eltern, weil im ultraorthodoxen Judentum Geschlechtertrennung herrscht: Die Kinder gehen in getrennte Schulen und Ausgang ist kein Thema. Esthers Söhne lernen also nicht einfach so Mädchen in ihrem Alter kennen.
Deshalb brauche es die Hilfe der Eltern: «Wir wollen nicht, dass sie mit jemandem zusammenkommen, mit denen sie unglücklich sind. Daher recherchieren wir zuerst über diese Frau.» Dabei gehe es vor allem um dieselben Wertvorstellungen und Erwartungen im Leben.
«Man hofft, damit eine ideale Partnerin zu finden. Auch wenn ich meinen Kindern immer sage, dass es keine ideale Partnerin gibt. Jeder Mensch hat Fehler. Letztlich geht es darum, miteinander zu wachsen», sagt Esther Frenkel, während sie in Zürich, Wiedikon, das Abendessen für ihre Familie zubereitet.