«Ich war an einem Punkt, an dem ich wahrscheinlich alles genommen hätte. Ich war so verzweifelt und wollte einfach, dass es mir besser geht», erzählt Deby, kurz bevor sie wieder eine Dosis Ketamin gegen ihre Depressionen verabreicht bekommt. Sie habe verschiedene Antidepressiva und Therapieformen ausprobiert und sei trotzdem immer wieder in eine Depression gefallen. «Ich wusste nicht, was ich noch machen soll.»
Vor einem Jahr war die depressive Episode besonders schwer. Deby kam nicht mehr aus dem Bett, konnte sich kaum ein Glas Wasser holen und dachte an Suizid. Da habe ihr ihre Psychotherapeutin empfohlen, Ketamin auszuprobieren.
Ich bin zum Ketamin gekommen, weil alles andere nicht mehr geholfen hat.
Symptome einer Depression lassen sich oft mit Psychotherapien oder Medikamenten lindern. Aber nicht bei jedem bringt dies die erhoffte Besserung. Rund 30 Prozent gelten als therapieresistent. Für diese Menschen habe man mit Ketamin ein alternatives Angebot und eine gute Ansprechrate, erzählt Erich Seifritz, Direktor Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Auch Deby spricht auf die Behandlung mit Ketamin an, und zwar sofort: «Ich hatte keinen Zugang mehr zu negativen Gedanken, und das war wirklich ein Erlebnis nach solch einer langen Depression», erinnert sie sich an ihre erste Behandlung. Bei herkömmlichen Antidepressiva dauert es oft mehrere Wochen, bis sie wirken. Bei Patientinnen und Patienten, die auf Ketamin ansprechen, setzt die antidepressive Wirkung aber bereits nach wenigen Stunden ein.
Seit 2020 ist Ketamin in Form eines Nasensprays für die Behandlung therapieresistenter Depression zugelassen. Damit behandelt werden kann nur, wer auf mindestens zwei verschiedene Antidepressiva nicht angesprochen hat.
Der Patient oder die Patientin muss während zwei Stunden nach der Einnahme ärztlich überwacht werden. Denn Ketamin kann den Blutdruck ansteigen lassen und die Betroffenen in einen dissoziativen Zustand versetzen. Dabei scheinen gewohnte Zusammenhänge auseinanderzufallen und Gedanken, Emotionen und physische Empfindungen nicht mehr zusammenzugehören. Genau wegen dieses Effektes wird Ketamin aber auch in der Clubszene als Partydroge missbraucht. Solche dissoziativen Zustände seien aber bei der niedrigen Dosierung, wie sie in der Psychiatrie angewendet würden, selten, sagt Erich Seifritz.
Obwohl Ketamin auch als Droge konsumiert wird, geht Seifritz nicht davon aus, dass Patientinnen und Patienten eine Abhängigkeit entwickeln. Ganz ausschliessen kann man dies aber nicht. «Ein gewisses Suchtpotenzial ist vorhanden. Aber das muss man in Kauf nehmen, um ein anderes Problem zu lösen.»
Deby und Erich Seifritz sind sich einig: Einer der grössten Vorteile von Ketamin liege darin, Menschen, die darauf ansprechen, aus dem tiefen, emotionalen Loch herauszuholen. «An Patienten und Patientinnen mit einer therapieresistenten Depression kommen Sie mit einer Psychotherapie nicht mehr ran. Die Türen sind bildlich gesprochen zu. Ketamin, das einen schnellen Effekt hat, macht diese Türen wieder etwas auf.»
Für Deby ist klar, dass es nicht das Ketamin alleine war, das ihr derart geholfen hat, sondern auch die begleitende Psychotherapie. «Um überhaupt an irgendetwas arbeiten zu können und vorwärtszukommen im Leben, brauchte es bei mir das Ketamin», ergänzt sie.