«Ich habe mich jeden einzelnen Tag gemessen und gehofft, dass ich nicht mehr wachse.» Susanna ragt bereits als junge Teenagerin mit ihrer Grösse aus der Masse heraus – für sie ein schlimmes Gefühl in diesem unbeständigen Lebensabschnitt.
Hobbys, bei denen sie befürchtet, noch grösser zu erscheinen, traut sie sich gar nicht erst zu tun, «Schlittschuhlaufen ging natürlich gar nicht und wenn ich zum Tanzen aufgefordert wurde, erschrak das Gegenüber immer, wenn ich aufgestanden bin».
Mit den Jahren steigt das Selbstbewusstsein bei Susanna und die Vorteile des Grossseins überwiegen häufig. Dennoch, die durchschnittliche Frau in der Schweiz ist rund 1.64 gross und die Gesellschaft auf diese Norm zugeschnitten. Frauen, die davon abweichen, haben mit Alltagsproblemen wie der Kleidersuche, bohrenden Blicken und teils auch in der Liebe zu kämpfen.
Grosser Support
Gegenseitige Unterstützung finden Frauen wie Susanna im «One Eighty Up Club». Hier treffen sich an diesem Abend knapp 60 überdurchschnittlich grosse Frauen von über 180 Zentimeter. Diese Gesellschaft steht diametral zum üblichen Bild der Öffentlichkeit – wer Durchschnittsgrösse hat, wird hier charmant als Relationszwerg bezeichnet.
Ansonsten sei der Club divers, sagt die Präsidentin Anna Tanner. «Die Frauen bei uns sind zwischen 16 und knapp 70 Jahren und bis zu zwei Meter gross.» Die Menschen seien stolz auf ihre Grösse, doch sie verbinden häufig auch ein Leidensdruck während der Zeit in der Pubertät. «In jungen Jahren sind viele schon unsicher, da will man nicht noch zusätzlich auffallen», erklärt Susanna. Hier könne man sich unter Gleichgesinnten austauschen und einfach Spass haben.
Umstrittene Hormontherapie
Grosses Thema der Runde: Wachstumsstopper. Wenn ein Mädchen laut ärztlicher Prognose über 1.85 Meter gross werde, kann eine sogenannte Bremstherapie eingeleitet werden. Dabei schluckt das Kind hoch dosierte weibliche Hormone, damit die Pubertät früher einsetzt. Die Therapie wird aber auch kritisiert, weil man nicht weiss, ob sie in jedem Fall erfolgreich sein wird und es Nebenwirkungen wie Migräne, Depressionen oder Schlafstörungen geben kann.
Melanie hat als Kind eine solche Therapie gemacht und ist froh darum, «als ich zwölf Jahre alt war, prognostizierte man mir, dass ich über 1.90 werden könnte». Nach einigen Gesprächen mit den Eltern habe sie sich dann für eine Hormonbehandlung entschieden. Für Melanie ist die Behandlung ein Erfolg, sie wird 1.88 Meter gross – die einzige Nebenwirkung bleibt, dass sie bereits früh ihre Menstruation bekommen hat.
Viele der anwesenden Frauen am Event verzichteten auf ein künstliches Eingreifen und sind glücklich mit ihrer Entscheidung, auch wenn sie ihre Grösse zuerst noch akzeptieren und in jeden Zentimeter bewusst hineinwachsen mussten. Beim Apéro sticht nun niemand aufgrund seiner Grösse hervor – die Mitglieder fühlen sich sichtlich wohl, wie Präsidentin Anna Tanner erklärt: «Es ist richtig schön: In diesem Umfeld traue ich mich sogar hochhackige Schuhe zu tragen.»