«Angesichts der verschiedenen Kriegsschauplätze fragt man sich schon: Wo führt das alles hin, wie entwickelt sich unsere Welt, unsere Gesellschaft?» – So bringt Stefani Zemp aus St. Gallen das Bauchgefühl auf den Punkt, das viele Menschen umtreibt. Ihre Aussage stammt aus einer Strassenumfrage, die Korrespondenten von Fernsehen SRF in verschiedenen Regionen der Schweiz für die Sendung «Club» durchgeführt haben. Der Grundtenor: Es herrscht Unsicherheit, die negativen Schlagzeilen der letzten Monate und Jahre haben Spuren hinterlassen.
Auch Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen: Die psychische Belastung nimmt zu. Fast jede fünfte Person in der Schweiz gilt als mittel oder schwer psychisch belastet. In Deutschland hat die Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort «Krisenmodus» zum Wort des Jahres 2023 gekürt.
Ist die Welt wirklich aus den Fugen? Es gibt zahlreiche Fakten, die diesem mulmigen Bauchgefühl widersprechen, etwa was den Rückgang der extremen Armut oder der Kindersterblichkeit angeht. Auch Kriege fordern global gesehen deutlich weniger Opfer als früher.
Diese Statistiken seien zwar korrekt, sagt Ex-IKRK-Präsident Peter Maurer: «Aber es ist eben auch wahr, dass es immer mehr Orte auf der Welt gibt, wo es den Menschen schlechter geht als früher.» Diese Gleichzeitigkeit positiver und negativer Entwicklungen sei sehr schwer zu vermitteln.
Armut und Not in der Schweiz
Auch hierzulande sind diese Gegensätze deutlich spürbar: Einerseits ist die Schweiz eines der reichsten Länder der Welt, andererseits geraten etwa die Gassenküchen immer stärker an den Anschlag .
Die 50-jährige Nonne und Gassenarbeiterin Schwester Ariane bekommt das tagtäglich mit. Sie hat den Verein «incontro» gegründet, der an der Zürcher Langstrasse Essen verteilt und Nothilfe leistet. «Wir nehmen eine Zunahme der Armut und der Obdachlosigkeit wahr», erzählt sie. Menschen, die finanziell sowieso schon am Limit seien, würden es unmittelbar spüren, wenn die Teuerung zunehme oder die Miet- und Gesundheitskosten stiegen. «Nur schon eine Rechnung, die 50 oder 100 Franken mehr kostet, bringt diese Menschen in existenzielle Nöte.»
Wie also kann man umgehen mit diesen Gegensätzen? Wie findet man Orientierung in diesen Entwicklungen? Die Medien spielten hier eine wichtige Rolle, sagt Psychoanalytiker Peter Schneider im «Club»: «Je komplexer und je detaillierter die Berichterstattung ist, desto mehr schützt sie davor, in dieses generalisierende Bild zu verfallen, dass alles nur noch schlimmer wird.» Wenn man sich bewusst werde, dass die Welt eben nicht schwarz-weiss sei, sondern man die Nuancen sehe, dann helfe das gegen dieses lähmende Ohnmachtsgefühl.
Auch die Philosophie könne hierzu beitragen, ist Katja Gentinetta überzeugt – selbst politische Philosophin: «Etwas zu durchdenken, zu verstehen, kann an sich schon unheimlich befriedend sein.» Und es sei der erste Schritt, um selbst etwas zur Lösung eines Problems beizutragen.
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