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Mehr Schnittentbindungen Weshalb schon der erste Kaiserschnitt vermieden werden soll

Zwei Spitalärzte plädieren für die natürliche Geburt. Sie wollen die Kaiserschnittrate an ihren Instituten senken. Sie erklären die Gründe dafür und was Frauen und Männer zum Thema Kaiserschnitt – auch Sectio genannt – wissen müssen.

Neue Zahlen zu Kaiserschnitt: Ein Drittel der Frauen hat 2023 per Kaiserschnitt geboren, zwei Drittel auf natürlichem Weg. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Seit Jahren steigt die Zahl der Kaiserschnittgeburten leicht an. Diesem «Trend» wollen Fachleute entgegenwirken, nicht, weil sie per se gegen geplante Kaiserschnitte sind, sondern weil diese höhere Risiken mit sich bringen. «Jedes öffentliche Spital schaut auf seine Sectio-Rate», sagt Leonhard Schäffer, Chefarzt Geburtshilfe und Pränataldiagnostik am Kantonsspital Baden. «Das Credo heisst: so wenig unnötige Kaiserschnitte wie möglich.»

Risiken beim Kaiserschnitt: «Die Risiken sind grösser als die Vorteile», sagt Schäffer. Schwangere Frauen sind heute deutlich älter als vor 15 Jahren. Damit steigen auch die Risikoschwangerschaften, die häufiger zu einer Sectio führen. Ältere Schwangere können an Bluthochdruck oder Diabetes leiden und sie haben oft eine eingeschränkte Gebärmutterdurchblutung, was die Funktion der Plazenta, des Mutterkuchens, verschlechtert, erklärt Marc Baumann, Ärztlicher Leiter der Mutter & Kind Station der Frauenklinik am Inselspital Bern: «Ein Kaiserschnitt ist eine grosse Operation und geht mit gewissen Risiken für die Frau einher.» Selten kann auch das Kind leicht verletzt werden.

Und eine Sectio wirkt manchmal nach: Die Operationsnarbe kann in einer weiteren Schwangerschaft oder Geburt einreissen oder Probleme mit der Plazenta verursachen. Sie kann zudem manchmal schlecht heilen und Schmerzen bereiten. Ein Kaiserschnitt bedeutet dazu ein gewisses Risiko für die Fertilität. Die Wahrscheinlichkeit, erneut schwanger zu werden, ist gemäss Schäffer etwas geringer.

Geplanter oder ungeplanter Kaiserschnitt

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Ein geplanter oder auch primärer Kaiserschnitt wird auf ausdrücklichen Wunsch der schwangeren Frau in Betracht gezogen. Oder wenn sich Probleme abzeichnen. Etwa, wenn das Kind deutlich zu gross heranwächst, dann wird er manchmal aus Sicherheitsgründen empfohlen, weil sehr grosse Kinder bei einer natürlichen Geburt einigen Risiken ausgesetzt sind, erklärt Professor Leonhard Schäffer.

Der ungeplante, sekundäre Eingriff ist ein Not-Kaiserschnitt. Er lässt sich kaum planen. Der Eingriff passiert im Notfall, das heisst, wenn es bei einer natürlichen Geburt zu Komplikationen kommt.

Vorteile des Kaiserschnitts für die Mutter: Primäre Kaiserschnitte werden heute oft ausgeführt. Für die beiden Fachleute Schäffer und Baumann sind geplante Eingriffe deshalb relativ sichere Operationen. Im Gegensatz zur natürlichen Geburt ist eine Sectio planbar, das hilft nicht nur der Frau, sondern auch dem Spital. Die beiden Ärzte sehen Konstellationen, in denen ein Kaiserschnitt am meisten Sinn macht, wenn etwa eine frühere Kaiserschnittnarbe sehr dünn ist und bei Wehen reissen könnte oder aus psychosomatischen Gründen der Schwangeren.

Neugeborenes mit Mütze wird gehalten.
Legende: Ein buntes Käppi hält das kleine Mädchen nach der Kaiserschnittgeburt warm. Aufnahme aus der Privatklinik Bethanien in Zürich. Keystone/Gaetan Bally

Vorteile für das Kind: Die beiden Ärzte sehen einige positive Aspekte für das Baby. Beim Kaiserschnitt gleitet es auf relativ sicherem Weg auf die Welt, und die unplanbaren Komplikationen der vaginalen Geburt werden vermieden. Und falls es doch Hilfe brauchen sollte, stünden in einigen Kliniken die nötigen Spezialistinnen und Spezialisten bereit.

Trend «Fenster»-Kaiserschnitt

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Trotz Angst vor Schmerzen wünschen sich einige Frauen eine Vaginalgeburt. Wenn diese Entbindung auf natürlichem Weg nicht möglich ist, hat das Berner Inselspital den sogenannten «Fenster»-Kaiserschnitt entwickelt. Damit können die Frauen und ihre Partner oder Partnerinnen trotz Sichtschutz am Geburtsvorgang teilhaben.

Durch ein Sichtfenster in der sterilen Abdeckung sehen sie, wie ihr Kind das Licht der Welt erblickt und seinen ersten Schrei macht. Der operative Teil bleibt ihnen dabei aber verborgen. Durch die Teilhabe am Geburtserlebnis werde die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind von Anfang an gefördert, sagt Marc Baumann, ärztlicher Leiter der Mutter-Kind-Station am Inselspital Bern. Rund 80 Prozent der geplanten Geburten in der Frauenklinik wurden letztes Jahr nach diesem System durchgeführt.

Mittlerweile bieten auch eine zunehmende Zahl an Spitälern in der Schweiz und weltweit den Fensterkaiserschnitt an.

Ode auf die natürliche Geburt: Wenn möglich, sollten Frauen eine natürliche Geburt anstreben, sagt Marc Baumann vom Berner Inselspital. «Ein Kaiserschnitt sollte nur eine Ausweichmöglichkeit sein, wenn es nicht anders geht.» Natürlich geborene Kinder haben weniger Atemprobleme als Kaiserschnittsäuglinge, weil beim natürlichen, aber engen Geburtskanal Flüssigkeit aus der Lunge ausgepresst wird und die Kinder auf das Leben ausserhalb der Mutter vorbereitet werden. Zudem sollen Säuglinge durch Vaginalgeburten weniger zu Allergien neigen. Diese Angaben sieht Leonhard Schäffer allerdings kritisch, weil die Ursache hierfür bisher nicht eindeutig bewiesen werden konnte.

SRF 4 News, 12.5.2025, 10 Uhr; sda/flal;brus

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