Vom Veganer zum Fleischesser, von der linksliberalen zur konservativen Politikerin. Immer mal wieder ändern Menschen ihre Meinungen. Wie passiert das, und wieso helfen uns Meinungen im Alltag? Ein Sozialpsychologe erklärt.
SRF News: Wie ändern wir unsere Meinungen?
Johannes Ullrich: Meinungen können auf verschiedenen Dingen beruhen. Meistens haben wir Gründe für unsere Meinung. Und diese Gründe oder Grundlagen können sich ändern. Dann sind wir auch bereit, unsere Meinungen zu ändern.
Welche Funktion hat eine Meinung?
Unsere Meinungen geben uns Halt im Alltag. An wem und woran können wir uns orientieren? Wir wissen, wie wir uns entscheiden, was wir kaufen, was wir planen, wo wir hinfahren, mit wem wir uns treffen und so weiter. Und natürlich macht es auch unseren Mitmenschen die Tatsache leichter, mit uns zu interagieren, wenn unsere Meinungen stabil sind. Wenn wir wissen, der oder die isst vegetarisch, dann wissen wir, was wir einkaufen können, wenn wir diese Person einladen.
Wenn diese Person jeden Tag ihre Meinung ändern würde, würde dies das Zusammenleben ja ganz schwer machen. Grundsätzlich ist Stabilität die Ausgangslage.
Über Meinungen stehen Werte – wie oft wechseln wir diese?
Wir ändern unsere Werte, die uns durch unser Leben begleiten, nicht von heute auf morgen. Aber eine einzelne Meinung, die kann sich schon mal von heute auf morgen ändern.
Wie ist es mit politischen Einstellungen?
Grundsätzlich sind sich Menschen in ihren politischen Leitlinien und Grundüberzeugungen relativ treu. Forschungen zeigen, dass im Längsschnitt Werte relativ stabil bleiben.
Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.
Und wie begründet man einen Meinungswechsel?
Es spielt sicher eine Rolle, dass Menschen ihre Meinung manchmal nicht ändern wollen, weil es eben nach aussen so aussehen könnte, als hätte man sozusagen einen Fehler gemacht. Es gibt ja von Bertolt Brecht das Zitat: «Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch anerkennen, dass A falsch war.» Das ist ja eine Einladung, seine Meinung zu ändern, aber eben nicht einfach so! Das würde vielleicht tatsächlich sozial geächtet, wenn jemand wie gesagt von heute auf morgen immer hin und her schwankt in der Meinung.
Wann passiert das beispielsweise?
Meinungen sind auch ein Spiegel der sozialen Einflüsse, denen wir ausgesetzt sind. Wie oft hören wir von einer Meinung? Das kann allein schon dazu führen, dass wir diese Meinung eher übernehmen. Was wir momentan beobachten, ist tatsächlich ein bisschen eine Lockerung der Hemmungen gegenüber Militarisierungstendenzen. Das ist im Kontext der aktuellen Politik, in der überall von Aufrüstung und Erhöhung der Militäretats die Rede ist, auch nicht weiter verwunderlich.
Wie kann man glaubwürdig seine Meinung ändern, gerade als Politiker oder Politikerin?
Es darf natürlich nur punktuell passieren. Die Wählenden, die wollen natürlich, dass das, wofür sie die Leute gewählt haben, auch umgesetzt wird. Aber punktuell kann das natürlich sinnvoll sein.
Politikern wird verziehen, wenn sie aufgrund einer moralischen Begründung ihre Meinung ändern.
Es ist ja auch authentisch, dass Menschen merken, dass sie eine falsche Annahme getroffen haben und da diese jetzt hinfällig ist, sie deshalb auch ihre Meinung ändern müssen. Das wird auch Politikern verziehen, wenn sie also aufgrund einer moralischen Begründung sagen: «Nein, heute bin ich jetzt anderer Meinung.» Die werden dann nicht als Fähnchen im Wind wahrgenommen, sondern dann ist es eben eine aufrichtige, begründete Meinungsänderung.
Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.