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Nachbarschaftsstreit «Arbeitslose Drecksau» – Zoff mit den Nachbarn

Ob lautes Hundegebell oder ein abgestellter Wasserhahn: Nachbarschaftsstreitigkeiten machen den Beteiligten das Leben zur Hölle – und können ein Vermögen kosten.

«Wir haben keinen Kontakt zu ihm.» Yolanda Broder spricht nur leise vor ihrem Haus. Sie hat Angst, von ihrem Nachbarn und Erzfeind Herr G. beobachtet zu werden. Seit acht Jahren liegen sich Broders mit G. in den Haaren. Angefangen hat der Streit, als sie sich über das Hundegebell im Nachbargarten beschwerten. Minutiös protokollieren Yolanda und Ehemann Hans Peter Broder das Kläffen der Hunde: «Die Hunde bellen morgens bis abends.»

Über 30'000 Franken

Herr G. hält ein halbes Dutzend Malteser-Hunde. Vor der Kamera nimmt er keine Stellung. Er fühle sich von seinen Nachbarn bedroht. Das sei kein Nachbarschaftsstreit, sondern Stalking – mit Hilfe der Behörden. In einem Brief an Broders Vermieterin beschwert er sich über «absichtliches Türe zuknallen, sogar sonntags.»

Beide Seiten rüsten verbal auf. Es kommt zu massiven, gegenseitigen Beschimpfungen. Frau G. soll Broder als «arbeitslose Drecksau» bezeichnet haben. Diese erstattet darauf Anzeige. «Man kann nicht immer alles schlucken», sagt sie.

Seit dem Einzug der Familie Broder vor acht Jahren gingen dutzende Anzeigen von beiden Seiten bei der Polizei ein – teilweise landen die Fälle sogar vor Bundesgericht.

Über 30'000 Franken haben Broders im Rechtsstreit mit ihren Nachbarn bis jetzt ausgegeben. «Man denkt immer daran. Man ist nicht mehr der gleiche Mensch», sagt Yolanda Broder – und ist damit nicht alleine. Mehr als 5000 Fälle von Nachbarschaftskonflikten verzeichnen Schweizer Rechtsschutzversicherungen pro Jahr.

Friedensrichter Thomas Marthaler hat schon dutzende Nachbarschaftskonflikte geschlichtet. Er weiss: «Jeder hat eine unterschiedliche Vorstellung von Gerechtigkeit.» Aber in 80 Prozent der Fälle findet Marthaler eine Einigung zwischen den Parteien.

Wasserhahn abgedreht

Auch Daniela Schultheiss geht rechtlich gegen ihren Nachbarn vor. Herr B. hat den Wasserhahn in der Tiefgarage im Winter abgestellt. Schultheiss kann deshalb ihre Pflanzen im Keller nur unter grossem Aufwand giessen: «Ich muss das Wasser in meiner Waschküche holen. Doch ich habe eine Verletzung an der Hand, also sollte ich keine schweren Lasten tragen.»

Die Wasserleitung kommt vom Nachbar – «wegen eines Baufehlers», bemerkt Schultheiss. Nachbar B. will nicht mit der «Rundschau» sprechen. Auch mit Daniela Schultheiss pflegt er keinen Kontakt. Ihr Vorschlag, jährlich 50 Franken für das Wasser zu bezahlen, habe er abgelehnt. Es brodelt zwischen den beiden Nachbarn. Beide beschweren sich gegenseitig über falsch geparkte Autos und übelriechende Kehrichtsäcke. «Man grüsst sich nicht mehr, man geht sich aus dem Weg. Es ist eine komische Situation», sagt Daniela Schultheiss.

Sie will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, holt sich einen Anwalt und fordert vor dem Bezirksgericht die Öffnung des Wasserhahnes. Mehrere Stunden dauert die Verhandlung. Daniela Schultheiss und ihr Anwalt sitzen mit dem Nachbar in einem Raum. «Ich spüre die Ablehnung», sagt Schultheiss: «Das ist in meinem Weltbild schwierig zu verarbeiten.» Das Urteil wird im Frühling erwartet.

Rundschau, 31.01.2024, 20.05 Uhr

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