Kai ist in der Polizeischule Hitzkirch stationiert und im siebten Monat der Polizeiausbildung. In zwei Wochen startet sein Praktikum im Kanton Basel-Stadt. Für ihn geht damit ein Kindheitstraum in Erfüllung.
Doch Menschen wie Kai gibt es laut verschiedenen Kantonspolizeien zu wenige. Gerade städtische Polizeikorps kämpfen seit Jahren mit Unterbesetzung. Am stärksten ist der Kanton Basel-Stadt betroffen, dort sind rund 100 Stellen unbesetzt.
Rekrutierungsprozess zu streng?
Bewerbungen gibt es in fast allen Kantonen zahlreiche, doch die meisten Bewerbenden erfüllen die Anforderungen an den Polizeiberuf nicht. Die Ablehnungsquote in den städtischen Kantonen liegt zwischen 70 und 90 Prozent.
Nebst den formalen Anforderungen scheitern viele auch an der Eignungsprüfung. Ein häufiger Grund dafür sei laut verschiedenen Kantonspolizeien die ungenügende sportliche Leistung. Auch Aspirant Kai musste zweimal zur Sportprüfung, weil er den Ausdauertest beim ersten Mal nicht bestand.
Man muss kein Spitzensportler sein, aber auf die Prüfung sollte man sich sicher vorbereiten.
Im Kanton Basel-Stadt muss man nebst Hindernisparcours, Schwimmen und Liegestützen als Mann auch in 12 Minuten 2.6 km laufen. Für Frauen sind es 2.4 km. Die sportlichen Voraussetzungen sind kantonal unterschiedlich, jedoch vergleichbar.
Sportprüfung der Kantonspolizei Basel-Stadt
Bei einer so hohen Anzahl offener Stellen und nur wenigen bestandenen Aufnahmeprüfungen kommt die Frage auf, ob die Anforderungen zu hoch sind. Nein, findet Andreas Sonntag, Leiter Ressort Physis, Kantonspolizei Basel-Stadt: «Als Polizistin oder Polizist kann es gut sein, dass man mal jemandem hinterherrennen muss. Da sind auch Hindernisse im Weg und dann sind Koordination und Stehvermögen gefragt.»
Auch Deutschkenntnisse ein Problem
Praktisch alle Deutschschweizer Kantonspolizeien nennen als Grund für die hohe Durchfallquote ebenfalls mangelnde Deutschkenntnisse.
Junge Menschen beherrschen die deutsche Sprache heutzutage nicht mehr so gut.
Kim Feldmann, Ressortleiterin Recruiting & Marketing bei der Kantonspolizei Basel-Stadt, stellt fest, dass sich das Problem in den letzten Jahren verstärkt hat: «Wir und auch viele Kantone haben festgestellt, dass die jungen Menschen heutzutage die deutsche Sprache nicht mehr so gut beherrschen wie noch vor 10 bis 15 Jahren.» Sie empfiehlt Bewerbenden, die Defizite im Fach Deutsch haben, einen Vorbereitungskurs.
Polizeiberuf soll attraktiver werden
Viele Kantonspolizeien sehen die Gründe für den Personalmangel nicht bei den strengen Aufnahmebedingungen, sondern beim allgemeinen Fachkräftemangel und der demografischen Entwicklung. Der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB fordert deswegen bessere Arbeitsbedingungen, um den Polizeiberuf wieder attraktiver zu machen.
Auch Aspirant Kai kann das mangelnde Interesse am Beruf nachvollziehen: «Dass man zum Beispiel in Schichten arbeiten muss und dadurch in anderen Lebensbereichen zurückstecken muss, ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass viele Menschen den Beruf nicht machen wollen.».
Die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS) sieht den Handlungsbedarf angesichts der steigenden Anforderungen an den Polizeiberuf ebenfalls nicht im Rekrutierungsprozess. Vielmehr sieht die KKPKS Handlungsbedarf bei den Arbeitsbedingungen, Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Arbeitsformen wie Teilzeit oder Home-Office, sowie aktiver Frauenförderung.