In einer Welt, in der Aufrufe, Abonnentenzahlen und Likes eine grosse Rolle spielen, wirkte die Podcast-Branche bis anhin wie eine Insel, auf der der Wettbewerb ausnahmsweise nicht im Vordergrund steht. Das ändert sich nun, denn mit einem neuen Feature macht Spotify die Podcast-Hörerzahlen transparenter. Davor konnte man die tatsächliche Reichweite der Podcasts nur grob erahnen.
Gespaltene Meinungen
Gerade bei kleineren und neueren Formaten kommt diese Änderung nicht gut an. Hosts befürchten, dadurch im öffentlichen Vergleich unterzugehen. Tiefe Zahlen können potenzielle Hörerinnen und Hörer abschrecken, noch bevor sie den Podcast überhaupt anklicken. Betroffene sprechen von einem «Beliebtheitswettbewerb», der die Kreativität und den Mut zu Nischeninhalten hemmt.
Dino Giglio, Podcast-Produzent in Zürich, sieht in der Änderung keine Gefahr, sondern die Möglichkeit auf eine Art Gütesiegel für etablierte Formate. Die Podcasterinnen und Podcaster mit weniger Reichweite brauchen sich aber nicht zu fürchten, meint er, und vergleicht das Ganze mit der Bücher-Branche: «Da hat man auch einen Bestseller-Kleber auf den Büchern. Aber wenn ich mich für ein Thema tiefer interessiere, dann gehe ich auch in die entsprechenden Abteilungen und suche dort mein Buch, das zu mir passt.»
Spotify krebst zurück
Nachdem die Ankündigung im Mai viel Kritik ausgelöst hatte, machte Spotify eine Anpassung: Statt exakter Zahlen werden sogenannte Meilensteine angezeigt. Bei weniger als 50'000 Streams bleibt die Hörerzahl unsichtbar.
Ein schwacher Trost, findet Andreas Wullschleger, Gründer der Podcastagentur Ellie Media. Denn ein viel gehörter Podcast erhalte dadurch trotzdem Zuspruch, ein wenig gehörter Podcast nicht. Wenn man sehe, dass die Folge viele Plays hat, denkt man, dass der Podcast sicher besser ist als ein anderes Format, wo das nicht zu sehen ist, erklärt Wullschleger.
Podcasts auf Erfolgskurs
Der Podcast-Boom ist längst kein Nischenphänomen mehr – und er hält weiter an. Weltweit hören laut aktuellen Analysen über eine halbe Milliarde Menschen regelmässig Podcasts. Tendenz steigend. Zwar wächst der Markt nicht mehr ganz so rasant wie in den Anfangsjahren, doch das Medium hat sich etabliert und professionalisiert. Grosse Medienhäuser investieren ebenso wie Einzelpersonen und mit Video-Formaten oder Live-Podcasts können Podcasterinnen und Podcaster innerhalb des Genres spielen.
Nun legt Spotify also erstmals die Reichweite von Podcasts, zumindest teilweise, offen. Dabei darf man nicht vergessen: Zahlen machen die Aufmerksamkeit sichtbar. Welche Podcasts gut sind und welche nicht, entscheidet jede Hörerin und jeder Hörer für sich.