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Trend zu neuem Familienmodell Hund statt Kind – Vierbeiner als vollwertige Familienmitglieder

Die Geburtenrate sinkt, während die Zahl der Hunde in der Schweiz auf ein Rekordniveau steigt: Ein Zeichen einer Gesellschaft, in der Selbstverwirklichung zunehmend an Bedeutung gewinnt.

«Es ist eine grosse Liebe – wir sind Tag und Nacht zusammen.» – «Meine Hunde sind meine Familie.» – «Ich habe noch nie einen Tag ohne Hund verbracht.» Gross ist die Zuneigung von Schweizer Hundebesitzerinnen und -besitzern zu ihren vierbeinigen Freunden – oder eben: Familienmitgliedern. Hunde werden umsorgt, gepflegt, mit teuren Produkten verwöhnt. Die Kaltschnauzer sind in der Schweiz so beliebt wie noch nie.

In den letzten 5 Jahren ist der Hunde-Bestand um 36'000 Exemplare angestiegen. Gleichzeitig ist die Geburtenrate in der Schweiz im Jahr 2024 auf ein Rekordtief gesunken.

Illustration eines Hundes und Kinderwagens mit Zahlen und Pfeilen.
Legende: tierstatistik.identitas.ch, Bundesamt für Statistik

Soziologin Katja Rost sieht die Gründe in einer Gesellschaft, in der Selbstverwirklichung zunehmend an Bedeutung gewonnen hat: «Die Leute denken ‹Ein Kind, das ist mir zu viel Verantwortung und schränkt mich zu stark im Leben ein›. Aber trotzdem ist bei den Menschen das Bedürfnis da, dass man sich um etwas kümmert. Bei einem Hund ist der Aufwand aber doch etwas weniger gross als bei einem Kind.» Es sei für viele quasi die ideale Mischung aus den Bedürfnissen nach Liebe und nach Unabhängigkeit. «Einen Hund kann ich auch während der Ferien in einer Pension unterbringen oder abends einmal zu Hause lassen. Trotzdem ist da jemand, für den man da sein kann, und der einen liebt und den man lieben kann.»

Sie bringt keine Freunde mit nach Hause und redet nicht den ganzen Tag.
Autor: Salar Bahrampoori Moderator

Diese Einschätzung unterstützt auch Salar Bahrampoori, der sich bewusst gegen Kinder entschieden hat, aber mit seiner Lagotto Hündin «Liesl» eine unzertrennliche Beziehung lebt: «Sie bringt keine Freunde mit nach Hause und redet nicht den ganzen Tag. Wir pflegen eine geerdete, ruhige Beziehung. Ich hatte keine Lust auf dieses klassische Leben mit Kindern. Ich habe immer einen unabhängigen Weg gesucht, und doch habe ich eine Verbindlichkeit mit meinem Hund. Man hat viele Aufgaben, eine Verantwortung, aber auch eine grosse Liebe.»

Vier Pfoten, volle Kosten

Die Gründe, auf Kinder zu verzichten, sind vielfältig: Karrierefokus, der Wunsch nach weniger Verpflichtungen, finanzielle Unabhängigkeit. Doch oft ist auch für die Vierbeiner nichts gut und teuer genug. Das Geschäft mit Haustieren ist ein Milliardenmarkt. Vom Tierarzt über die Physiotherapie bis zum Hunde-Coiffeur: die Ausgaben für das Wohl der vierbeinigen Familienmitglieder läppern sich leicht zusammen.

Hund schaut aus einem rosa Kinderwagen heraus.
Legende: Hund statt Kind – weniger Verantwortung, gleich viel Liebe? Getty Images / James D. Morgan

Und auch Accessoires und Futter werden immer ausgefallener. Manches erinnert eher an Gourmet-Kost als an Tiernahrung – und ist gefragt, bestätigt Tanja Servidio, Inhaberin des Tierbedarfs-Geschäfts «Classy Paw»: «Der Hund ist ein vollwertiges Familienmitglied geworden. Man will nur das Beste. Vom Halsband über das Futter bis zum Bett.»

Der Trend zu «Hund statt Kind» werde künftig noch zunehmen, schätzt Soziologin Katja Rost ein. «Ob das dann aber ein nachhaltiger, langfristiger Trend ist, bleibt abzuwarten, das hängt davon ab, wie glücklich solche Lebenskonzepte im Endeffekt machen.»

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SRF 1, 10vor10, 26.8.2025, 21:50 Uhr ; 

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