Zwei gutaussehende junge Männer, muskulös, reich – aber unterdrückt und misshandelt von ihren Eltern: So inszeniert die Netflix-Serie «Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez» das Brüderpaar, das 1989 in Los Angeles seine Eltern brutal erschoss.
Serie mit Star-Aufgebot
Die Serie ist kein dokumentarisches Format, sondern nutzt alle Stilmittel eines fiktionalen Thrillers. In den Hauptrollen sind die Schauspieler Cooper Koch (Erik) und Nicholas Alexander Chavez (Lyle) zu sehen, die lieblosen Eltern werden von den Hollywood-Stars Javier Bardem und Chloë Sevigny verkörpert.
Kurz nach Veröffentlichung der Serie forderten zahlreiche Fans sowie ein Staatsanwalt die Überprüfung des Strafmasses der Menendez-Brüder, die zum Zeitpunkt des Prozesses jünger als 26 Jahre waren. Zufall? Oder können True Crime-Serien reale Gerichtsverfahren dermassen beeinflussen?
Studie zum Einfluss von Medienberichten
Undenkbar ist das nicht, sagt Medienethikerin Marlis Prinzing und verweist auf Untersuchungen in Deutschland: «In einer Studie wurden Richterinnen und Richter anonym befragt, ob Medienberichte ihre Urteile beeinflussen. Sie sagten: ‹Im Kern nicht.› Aber sie räumten ein, dass sie sich beim Strafmass nicht sicher seien, ob es sich nicht doch verändere, je nachdem, wie ein Fall öffentlich diskutiert werde.»
Amanda Knox will ihren Ruf wiederherstellen
Keine Strafminderung, sondern die endgültige Wiederherstellung ihres Rufs erhofft sich hingegen Amanda Knox. Sie hat die neue Serie «The Twisted Tale of Amanda Knox» mitproduziert.
«Engel mit Eisaugen» nannte die internationale Presse Amanda Knox – und prägte damit das Bild einer gefühlskalten Mörderin. 2007 wurde die damals 20-jährige US-Amerikanerin im italienischen Perugia festgenommen und beschuldigt, ihre Mitbewohnerin Meredith Kercher umgebracht zu haben. Ein italienisches Gericht verurteilte Knox 2009 zu 26 Jahren Haft. Nach mehreren Berufungsverfahren wurde Knox 2015 freigesprochen.
Aus diesem Stoff hat der Streamingdienst Disney+ die True-Crime-Miniserie «The Twisted Tale of Amanda Knox» entwickelt. Denn Amanda Knox kämpft – auch mit 38 Jahren – noch immer gegen das Bild der kaltblütigen Femme fatale, deren angebliches Sex-Ritual im Tod ihrer Mitbewohnerin geendet haben soll. Für sie ist die Serie ein Versuch, ihre Reputation wiederherzustellen.
«Das kann gelingen, wenn deutlich wird, dass es an professioneller Berichterstattung gemangelt hat», sagt Medienethikerin Marlis Prinzing. «Wenn klar wird, dass Fehler gemacht und viele Lücken nicht geschlossen wurden – und das Publikum zur Überzeugung gelangt: ‹Hätten wir das damals gewusst, wären wir zu einer anderen Einschätzung gekommen.›»
Gleichzeitig mahnt Prinzing: «Wir müssen uns bewusst sein: True Crime ist keine reine Unterhaltung. Es geht um reale Verbrechen, um echte Opfer, um Menschen, die grosses Leid erfahren haben.»
Die Menendez-Brüder jedenfalls haben durch die Netflix-Serie eine wachsende Fangemeinde in den sozialen Medien gewonnen – viele hofften auf die Freilassung nach über 35 Jahren Haft. Doch für die Brüder bleibt dieser Wunsch vorerst unerfüllt: Ihre Anträge auf vorzeitige Freilassung wurden letzte Woche abgelehnt.