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Urteil des Bundesgerichts Universitäten müssen Männer-Verbindungen nicht mehr anerkennen

Laut Bundesgericht dürfen die Universität Lausanne und die EPFL dem Zofingerverein die Anerkennung als universitäre Vereinigung verwehren – weil sie keine Frauen aufnehmen.

Studentenverbindungen haben eine lange Geschichte. Die Zofingia beispielsweise wurde 1819 gegründet. Das war lange, bevor Frauen überhaupt studieren durften. Doch die Zofingia will auch heute noch ein reiner Männerverein sein.

Noch im Jahr 2014 sah das Bundesgericht darin kein Problem. Es zwang die Universität Lausanne dazu, die Zofingia als universitäre Vereinigung anzuerkennen, was bedeutet, dass sie die Räumlichkeiten der Uni nutzen und sich auf der Internetseite der Universität präsentieren darf. Damals argumentierte das Bundesgericht, die Gleichberechtigung müsse in den Hintergrund treten.

Für dieses Urteil wurde das Bundesgericht in der Lehre harsch kritisiert. Und prompt macht es nun eine Kehrtwende: In zwei am Montag publizierten Urteilen schreibt es, der Gleichstellung der Geschlechter werde inzwischen mehr Bedeutung beigemessen. Die Hochschulen dürften die Anerkennung verweigern, schliesslich gehöre es zu ihren Aufgaben, auf dem Campus für Chancengleichheit zu sorgen. Das Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter gehe in diesem Fall der Vereinigungsfreiheit vor.

Symbolisch wichtiger Entscheid

Bei der Zofingia sorgen diese Urteile für Kopfschütteln. «Zofingia nimmt die Änderung der Rechtsprechung zur Kenntnis, hat aber den Eindruck, dass das Bundesgericht die Argumente von 2014 umdrehte für ein anderes Resultat, nur um gesellschaftlichen Trends zu folgen», sagt Philippe Dal Col, Anwalt der Waadtländer Sektion und selbst Altherr der Zofingia.

Die EPFL und die Universität Lausanne hingegen begrüssen die neue Rechtsprechung. «Mit seinem Urteil stärkt das Bundesgericht die Gleichstellung von Mann und Frau, was der Gesellschaft insgesamt und den Studentinnen der EPFL im Besonderen zugutekommt», schreibt die EPFL.

Menschenmenge mit bunten Mützen vor einem Gebäude.
Legende: Dürfen die Universität Lausanne und die EPFL der Studentenverbindung Zofingia die Anerkennung als universitäre Vereinigung verwehren? Ja, befindet das Bundesgericht. (Archivbild) Keystone/JENS MEYER

«Für die Universität Lausanne steht symbolisch viel auf dem Spiel», schreibt eine Sprecherin. «Der Entscheid des Bundesgerichts ermöglicht uns mehr Kohärenz, es geht um eine Frage der Gewichtung von Werten.» Das Gesetz verpflichte die Hochschulen, Massnahmen für die Chancengleichheit zu ergreifen.

Warum sind Frauenorganisationen unproblematisch?

Merkwürdigerweise hat die EPFL eine rein weibliche Organisation – die EPFelles – als universitäre Organisation anerkannt. Das Bundesgericht stellt klar, dass nicht jeder Männerclub oder jeder Frauenverein problematisch sei. «Eine solche an sich diskriminierende Praxis kann in der Tat gerechtfertigt sein, solange sie einen objektiven Bezug zum Vereinszweck hat.» Mit anderen Worten: Ein Männerchor besteht legitimerweise nur aus Männern, eine Organisation zur Frauen­förderung wie die EPFelles nur aus Frauen.

Der Zofingia wurde also zum Verhängnis, dass ihr Vereinsziel aus «Heimat, Freundschaft und Kultur» besteht und nicht ans Geschlecht gebunden ist.

Warum lässt die Zofingia keine Frauen zu?

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«Wenn diese Verbindungen zu den Hochschulen gekappt werden, stellt das die Existenzberechtigung der Zofingia als universitäre Organisation infrage – auch wenn sie nicht aufhört, zu existieren», sagt Philippe Dal Col, Anwalt der Waadtländer Sektion und selbst Altherr der Zofingia. Vieles hänge davon ab, wie streng die Hochschulen es in Zukunft handhabten, ob sie zum Beispiel an Anlässen dabei sein dürften oder gänzlich vom Campus verbannt seien.

Wäre es nicht die leichteste Lösung, Frauen in der Zofingia einfach zuzulassen? Bei dieser Frage muss Dal Col lachen: «Natürlich wäre das eine Lösung. Aber Zofingia ist föderal organisiert. Man müsste die zentralen Statuten ändern – und nicht alle Sektionen sind von dem Problem gleichermassen betroffen.» Dass sich alle Sektionen darauf einigen, Frauen in Zukunft als Mitglieder zuzulassen, könnte daher schwierig werden.

Dass die Zofingia früher eine Kaderschmiede war und den Studenten ein berufliches Netzwerk aus schweizweit etwa 3000 Mitgliedern bietet, legte das Bundesgericht ihr als diskriminierend aus: Wenn Studentinnen nicht zur Zofingia dürften, hätten sie nicht die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen.

Für die Waadtländer Sektion bedeuten die Urteile konkret, dass sie die Verbindungen zu den Hochschulen verliert: Sie darf den Campus nicht für Anlässe nutzen und wird auf der Internetseite nicht als Studentenorganisation aufgeführt.

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Info 3, 5.5.2025, 12 Uhr;sibl/herb

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