Im August 2021 übernahmen die Taliban in Afghanistan die Macht. Seither hat sich das Leben der afghanischen Bevölkerung radikal verändert. Besonders für Frauen. Im öffentlichen Leben erfahren sie starke Einschränkungen. Für sie gilt eine Verhüllungspflicht, sowie ein Bildungsverbot ab der sechsten Klasse.
Von höheren Fachschulen und Universitäten werden sie ausgeschlossen. Dr. Maiwand Ahmadsei kämpft von Zürich aus gegen dieses Verbot an. Der 32-jährige Arzt für Radio-Onkologie am Unispital Zürich ist Mitbegründer der «Afghan University of Medical Science» (AUMS), eines Onlinelehrgangs für afghanische Medizinstudentinnen.
Ein internationales Team kämpft um Ressourcen
Die Ausbildung besteht aus zwei Teilen: Das Online-Lehrprogramm, für das rund 3000 Afghaninnen registriert sind, bietet regelmässig Vorlesungen von Ärztinnen und Ärzten aus Afghanistan, Europa und Nordamerika an. Der Praxisteil wird in der afghanischen Hauptstadt Kabul durchgeführt. Wahrnehmen können diesen zwischen 100 und 200 Studentinnen. Für eine Ausweitung fehlen die finanziellen Ressourcen.
Zudem sind die technischen Mittel vor Ort schwer zu organisieren. Viele der angehenden Ärztinnen haben keinen Laptop oder Internetzugang. Auch wird die Bevölkerung durch die internationalen Sanktionen isoliert. «Es entsteht ein eiserner Vorhang, der den Transport der Mittel und die Transferierung der Gelder erschwert», erklärt Ahmadsei.
Heute habe ich die Möglichkeit, etwas gegen die Ungerechtigkeit zu unternehmen.
Rechtliche Konsequenzen für die Lehrpersonen und die Studierenden vor Ort befürchtet der 32-Jährige zurzeit nicht. Auch wenn der Taliban-Regierung ein Ruf der Unberechenbarkeit vorauseile, sei der Unterricht vor Ort einigermassen sicher, so der Arzt. Denn innerhalb der Gruppierung herrsche Uneinigkeit: Vor allem die jüngere Generation der radikal-islamischen Organisation handhabe die Umsetzung der Regelungen weniger strikt.
Vom Flüchtenden zum Aktivisten
Ahamdsei selbst ist als Kind mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg in Afghanistan geflohen. In Deutschland haben sie eine zweite Heimat gefunden. Durch die Eskalationen 2021 erlebe er dieselben Gefühle der Wut und Machtlosigkeit wieder. «Heute habe ich die Möglichkeit, etwas gegen die Ungerechtigkeit zu unternehmen. Das motiviert mich umso mehr», so Ahmadsei.
Der 32-Jährige glaubt an eine Zukunft von praktizierenden Medizinerinnen. Seine Hoffnung: die afghanische Bevölkerung. «Gegen die Veränderungen, die aus der Gesellschaft kommen, werden auch die Hardliner der Taliban nicht ankommen», sagt Ahmadsei. Mit seiner Arbeit will er jene Akteure vor Ort unterstützen, die für ein selbstbestimmtes Afghanistan einstehen.