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Wohnprojekt in Zürich Hilfe für Suchtkranke: Fixen im Wohnheim

In den ehemaligen «Gammelhäusern» im Langstrassenquartier lancierte die Stadt Zürich ein besonderes Wohnprojekt.

Wenn Franco K. auf seinem täglichen Spaziergang durch die Stadt läuft, zieht er die Blicke der Passanten auf sich. Sein jahrelanger Drogenkonsum hat ihn gezeichnet: Er zittert, hat Gleichgewichtsstörungen.

«Ich habe es mit 16 nicht besser gewusst. Da musst du gar nicht viel machen und bist so schnell drin.» Seither lebte Franco K. immer wieder auf der Strasse – oder übernachtete in der Notschlafstelle.

«Beaufsichtigtes Wohnen» statt Obdachlosigkeit

Heute hat er ein Dach über dem Kopf: ein Zimmer im Stadtzürcher Projekt «Beaufsichtiges Wohnen». Für Franco eine grosse Unterstützung. «Ich habe jetzt ein schönes Zuhause – und es ist meins. Das ist wichtig.»  Das Wohnheim bietet aktuell 42 Plätze und ist in der Schweiz ein einmaliges Projekt.

Die Zielgruppe sind Menschen, die zwischen Obdachlosigkeit, Psychiatrie oder Gefängnis pendeln. Sie gelten als sogenannte «Systemsprenger» – die wegen ihres Verhaltens zuvor in keiner anderen Einrichtung bleiben konnten. Das Angebot ist an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr durch Fachpersonal beaufsichtigt. Der Aufenthalt ist unbefristet, solange sich die Bewohnerinnen und Bewohner an die Grundregeln halten.

Verboten sind Gewalt, Drogenhandel, Waffen und Prostitution. Drogenkonsum in den Zimmern ist erlaubt. «Sonst wäre dies hier nicht möglich», sagt Sozialarbeiter Martin Kohler, «wenn in diesen Räumlichkeiten nicht ein Minimum an Konsumation toleriert wird».

Das Ende der «Gammelhäuser»

Das Haus befindet sich im Zürcher Langstrassenquartier. Die Liegenschaft geriet als eines der sogenannten «Gammelhäuser» in die Schlagzeilen. Es gehörte einem privaten Besitzer, der später wegen Mietzins-Wucher verurteilt wurde. Schon damals lebten dort Menschen in prekären Situationen, viele mit Suchtproblemen.

Die Folge: Ständige Polizeieinsätze wegen Konflikten, Drogenhandel und Gewalt. Zwischen 2012 und 2017 rückte die Polizei zu rund 2500 Einsätzen an dieser Adresse aus. Der Zustand der Wohnungen war so desolat, dass die Häuser schliesslich geräumt wurden. Als die Stadt die drei Häuser 2017 für 32 Millionen kaufte, löste dies Kritik aus.

Pilotprojekt verlängert

Zwei Jahre nach dem Kauf startete das Pilotprojekt. Für die Stadt bisher ein Erfolg: Die Zahl der Polizeieinsätze ging zurück. 2022 waren es bei der «Beaufsichtigten Wohnintegration» noch 22 Polizeieinsätze. Im kommenden Herbst soll deshalb das Projekt im Nachbarhaus erweitert werden, sodass künftig 72 Wohneinheiten zur Verfügung stehen.

Doch das Projekt hat seinen Preis: Pro Tag kostet ein Platz rund 170 Franken. Total: 5150 Franken monatlich pro Zimmer. Das Sozialdepartement oder die IV bezahlen dafür. Allerdings: Wenn die betroffenen Personen ihre Zeit in anderen Institutionen verbringen, kostet dies wesentlich mehr.

Die Einrichtung soll auch die Kosten senken

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Zum Vergleich: Ein Tag in der Psychiatrie kostet durchschnittlich 770 Franken und ein Tag im Krankenhaus über 2000 Franken . Eine Argumentation der Stadt ist daher: Die Einrichtung soll nebst der Unterstützung für die betroffenen Personen auch dazu beitragen, die Kosten zu senken.

Die Bewohnenden der «Beaufsichtigten Wohnintegration» sorgen aber weiterhin für Gesprächsstoff. In einer schriftlichen Anfrage an den Stadtrat kritisieren Vertreter der SVP, dass nun wieder Randständige, Süchtige und Asylsuchende «an bester Lage nahe der Europaallee sowie des Hauptbahnhofes und nahe an der Drogenszene der Langstrasse» eingezogen seien.

Mit der Erweiterung des Projekts dürfte das Konfliktpotential zwischen Bewohnenden und Anwohnenden der Neufrankengasse künftig noch steigen.

SRF Rundschau, 19.04.2023, 20:05 Uhr

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