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Gesundheit Drei Fragen und drei Antworten zu Antibiotikaresistenzen

Die Weltgesundheitsorganisation ist besorgt, weil es weltweit immer mehr Antibiotika-resistente Bakterien gibt. Erstmals hat sie Empfehlungen für die sichere Herstellung von Antibiotika verfasst. Doch was können wir alle machen, dass Antibiotika weiter wirken? Chemiker Oliver Zerbe klärt auf.

Oliver Zerbe

Dozent am Institut für Organische Chemie der UZH

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Oliver Zerbe ist Leiter der Einrichtungen der Nuclear Magnetic Resonance (NMR) und Dozent am Institut für Organische Chemie der Universität Zürich (UZH), wo er 2005 zum Privatdozenten und 2008 zum Titularprofessor ernannt wurde.

Ein individuelles oder gesellschaftliches Problem?

Einerseits ist das Problem individuell, da es die Gesundheit und Lebensqualität mindert. Andererseits handelt es sich um ein wirtschaftliches Problem: Wirtschaftliche Abläufe könnten durch Quarantänemassnahmen gestört werden, ähnlich wie während der Coronapandemie.

Was sind Antibiotikaresistenzen?

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Von Antibiotikaresistenzen spricht man, wenn bakterielle Infektionen gegen den Einsatz von Antibiotika unempfindlich werden, das heisst die Infektionen lassen sich nicht stoppen, weil der Erreger nicht mehr auf das Antibiotikum anspricht.

Ist ein Patient von einem multiresistenten Erreger befallen, kann es unter Umständen bedeuten, dass überhaupt kein wirksames Antibiotikum mehr zur Verfügung steht. Im schlimmsten Fall muss dann amputiert werden. Es gab 2019 nach einer Schätzung 1.3 Millionen Patienten, die weltweit an multiresistenten Erregern gestorben sind.

Soll man auf Pouletfleisch verzichten?

Bakterien lassen sich durch Hitze abtöten. Wenn Pouletfleisch ausreichend lang erhitzt wurde, sollte das eigentlich kein übermässiges Problem sein.

Wo kommen Antibiotikaresistenzen am häufigsten vor?

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«Im Prinzip können antibiotikaresistente Bakterien überall auftreten. Sie treten aber umso häufiger auf,  je mehr Antibiotika eingesetzt werden», sagt Oliver Zerbe von der Universität Zürich. Zudem entstünden Antibiotikaresistenzen immer dann, wenn nach Einsatz des Antibiotikums nicht alle Erreger abgetötet worden seien. Dies sei der Fall, wenn Antibiotika zu früh abgesetzt würden. «Die verbleibenden, nicht abgetöteten Erreger sind dann häufig resistent gegen das eingesetzte Antibiotikum», so Zerbe. Damit man Resistenzen nicht verbreite, müsse Antibiotika unbedingt über den vorgeschriebenen Zeitraum eingenommen werden, denn «sonst züchtet man sich resistente Stämme im Körper heran.»

Vermehrt treten antibiotikaresistente Stämme gemäss Zerbe in Spitälern auf, weil dort mehr Antibiotika eingesetzt werden. Ihmzufolge hat auch der Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin das Auftreten von Resistenzen beschleunigt.

«Geographisch gesehen kann man sagen, dass Antibiotikaresistenzen sehr unterschiedlich stark verbreitet sind. Am häufigsten kommen sie in asiatischen Ländern vor», so Oliver Zerbe von der Universität Zürich. Doch auch in der Schweiz sind sie immer häufiger. Beispielsweise zeigte eine Studie der Eidgenössischen Wasserforschungs-Anstalt EAWAG, dass die Keime auch Kläranlagen überstehen würden.

Im Rahmen der Sendung « Kassensturz » konnte zudem in einem Labor nachgewiesen werden, dass bei 3 von 10 Proben mit Schweizer Geflügel antibiotikaresistente Keime nachgewiesen werden konnten.

Hilft eine Durchseuchung?

Durchseuchung ist heikel. Je mehr Menschen sich mit Bakterien anstecken, desto mehr Antibiotika müssen bei gefährlichen Infektionen eingesetzt werden, und umso mehr Resistenzen gibt es. Generell gesagt hilft sorgfältige Hygiene, Infektionen zu vermeiden, von denen ein gewisser Teil multiresistente Erreger umfasst.

Das empfiehlt die WHO

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Die WHO hat erstmals Empfehlungen für die sichere Herstellung von Antibiotika verfasst, da sie die Antibiotika-Produktion in vielen Ländern mit Sorge betrachtet. Weil in Pharmafabriken oft zu viele aktive Substanzen ins Abwasser und die Umgebung gelangten, könnte dadurch die Ausbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien gefördert werden.

Die Empfehlungen sind unter anderem für Produzenten gedacht. Sie müssten ihr Abwasser rigoros kontrollieren und sicherstellen, sagte WHO-Abwasserspezialistin Kate Medlicott. Auch Regulierungsbehörden sollten bei der Genehmigung von Pharma-Produktionen höhere Umweltauflagen machen als bisher.

Die WHO empfiehlt auch volle Transparenz, damit Investoren, Einkäufer und gegebenenfalls Patienten die Anstrengungen von Pharmafirmen zum Umweltschutz honorieren können.

Zudem empfiehlt die WHO, dass Patientinnen und Patienten besser aufgeklärt werden, wie sie nicht genutzte Tabletten entsorgen. «Medikamentenreste gehören weder in die Toilette noch in die Spüle/Abfluss», schreibt das Bundesumweltministerium. In vielen Orten können alte Medikamente über die Restmülltonne entsorgt werden. Auch manche Apotheken nehmen ungenutzte Medikamente zurück und entsorgen sie fachgerecht.

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