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Gesundheit von Kindern Studie: Kurzsichtigkeit könnte zu einem grossen Problem werden

Eine Studie der Fachzeitschrift «British Journal of Ophthalmology» zeigt, dass Kurzsichtigkeit bei Kindern immer häufiger wird. Es scheint aber grosse Unterschiede zwischen Ländern und Kontinenten zu geben. Horst Helbig, Professor für Augenheilkunde, erklärt die Ergebnisse.

Horst Helbig

Augenarzt und Sprecher der DOG

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Helbig ist Pressesprecher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Er ist Professor für Augenheilkunde am Univeristätsklinikum Regensburg und der Leiter der dortigen Klinik.

SRF News: Wie gross ist das Problem von Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen tatsächlich?

Horst Helbig: Das hängt davon ab, wo man sich befindet. In Asien, zum Beispiel in China oder in Thailand, ist es ein grosses Problem, weil dort bis zu 80 Prozent der Kinder kurzsichtig sind. Dort hat sich die Kurzsichtigkeit in den letzten Jahren und Jahrzehnten in diese Richtung entwickelt. In Mitteleuropa haben wir insgesamt weniger Kurzsichtigkeit und man hat auch diese dramatische Zunahme der Kurzsichtigkeit in den letzten 20 Jahren nicht erlebt.

Wie erklärt sich der Unterschied zwischen Mitteleuropa und anderen Ländern?

Es gibt zwei Ursachen: Erstens spielt es offensichtlich eine Rolle, welcher genetische Hintergrund vorhanden ist. Offensichtlich neigen Asiatinnen und Asiaten mit entsprechendem ethnischen Hintergrund mehr zur Kurzsichtigkeit als kaukasische Menschen in Mitteleuropa. Deshalb sind insgesamt die Prävalenzen, also die Häufigkeit von Kurzsichtigkeit, in Europa geringer.

Kurzsichtigkeit hängt auch vom Lebensstil ab.

Zweitens hängt die Kurzsichtigkeit nicht nur von den Genen ab, sondern auch vom Lebensstil. Wir haben in Mitteleuropa schon seit 50 bis 70 Jahren einen urbanen Lebensstil. Wir lesen viel und verbringen nur wenig Zeit draussen. In Asien hat der Übergang von einer Agrargesellschaft zu einer urbanen Gesellschaft später stattgefunden. Das führt zu einer erheblichen Zunahme der Kurzsichtigkeit in Asien.

Laut der Studie sind Mädchen von dieser Entwicklung stärker betroffen als Jungen. Warum ist das so?

Mädchen sind halt einfach fleissiger (lacht). Nein, man weiss es nicht ganz genau. Das Einzige, das man nachgewiesenermassen tun kann, um die Häufigkeit der Kurzsichtigkeit zu reduzieren, ist: Kinder an die frische Luft zu schicken, sodass sie bei hellem Licht in die Ferne schauen. Auch das Tageslicht an einem bedeckten Tag reicht aus. 15 bis 30 Minuten draussen zu spielen, reduziert das Risiko für Kurzsichtigkeit erheblich.

Wie kann das Problem sonst angegangen werden?

Es gibt Versuche in Asien mit Medikamenten. Atropin-Tropfen in niedriger Dosierung können einen geringen Effekt auf die Entwicklung der Kurzsichtigkeit haben. Mit diesen Medikamenten bewegen wir uns aber in einer Grössenordnung einer Vierteldioptrie. Doch gerade in Asien mit einer hohen Kurzsichtigkeit – sechs, acht oder zehn Dioptrien – spielen Vierteldioptrien keine grosse Rolle. Und die Atropin-Studien konnten in Mitteleuropa nicht reproduziert werden.

Die pathologische Kurzsichtigkeit kann bis hin zur Erblindung führen, die man nicht mehr mit einer Brille beeinflussen kann.

In der Studie steht, in Zukunft könnte Kurzsichtigkeit zu einer globalen Gesundheitsbelastung führen. Sehen Sie das auch so?

Nun, die meisten Menschen leben in Asien, in China und in Indien. Insofern finden die globalen Probleme nicht in Mitteleuropa, sondern eher in Asien statt. Die Kurzsichtigkeit ist ja nicht nur ein Problem der Brille. Mit hoher Kurzsichtigkeit gehen auch andere medizinische Probleme einher, zum Beispiel Netzhautablösungen oder Vernarbungen im Bereich der Netzhautmitte. Die lassen sich nicht korrigieren. So kann die pathologische Kurzsichtigkeit bis hin zur Erblindung führen, die man dann nicht mehr mit einer Brille beeinflussen kann.

Das Gespräch führte Tim Eggimann.

SRF 4 News, 27.09.2024, 06:18 Uhr ; 

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