Es ist beeindruckend, das Quartier Leuenfeld in Oensingen. 37 verschieden grosse Mehrfamilienhäuser wurden hier innert zehn Jahren aus dem Boden gestampft. 800 Personen leben mittlerweile hier, etwas abseits vom traditionellen Dorfkern.
Das Leuenfeld ist das grösste von verschiedenen Neubau-Quartieren in Oensingen. In den letzten zehn Jahren wuchs die Bevölkerung des Dorfes von 4800 Einwohnern (im Jahr 2007) auf 6400 (2017). Oensingen ist damit stärker gewachsen als alle anderen Solothurner Gemeinden, auch als die mehr als dreimal so grossen Städte Olten, Solothurn und Grenchen.
Viele «Ur-Oensiger» beobachten, dass dies das Dorf stark verändert hat. «Früher hat man alle Leute noch gekannt auf der Strasse, heute maximal noch die Hälfte», sagt beispielsweise Tom Hug, Metallbauer und Dorfchronist von Oensingen.
Jahrelang blieb es ruhig in der Gemeinde, Entscheide des Gemeinderats wurden an den Gemeindeversammlungen durchgewunken. Nun gibt es vermehrt Stimmen, die einen «Marschhalt» fordern und möchten, dass Oensingen nicht noch weiter wächst oder zumindest in einem langsameren Tempo.
Exemplarisch für diese Diskussion steht aktuell die Debatte um das Projekt «Unterdorf». Dabei geht es um ein Gebiet an der Hauptstrasse, das «entwickelt werden soll», wie es vom Gemeinderat heisst. Dagegen formiert sich Widerstand, nachdem jahrelang wegen des Wachstums in Oensingen keine Reaktion spürbar war. Die Gemeindeversammlung hat für das Gebiet vor Jahren bereits einen Projektierungskredit von 450'000 Franken gesprochen.
Stark gegen dieses Projekt engagiert sich Kuno Blaser, ein pensionierter Sekundarlehrer, der in Oensingen aufgewachsen ist. Er befürchtet, dass mit einem möglichen Abriss der Gebäude im Unterdorf Oensingen seine Identität endgültig verlieren könnte.
Die Gemeinde möchte mit dem Projekt «Unterdorf» das Gebiet aufwerten, wie Gemeindepräsident Fabian Gloor betont. Er sagt auch, dass der Entscheid für eine Umzonung des Gebiets demokratisch bereits gefallen sei. Trotzdem ist sich auch Fabian Gloor bewusst, dass die Stimmung in der Gemeinde aktuell etwas schwierig ist. Ganz auf Wachstum verzichten möchte der Gemeindepräsident von Oensingen aber nicht.
Gloor hatte gemeinsam mit seinen Gemeinderatskolleginnen und -kollegen einen schwierigen Start in die Legislatur. Das erste Budget fiel bei der Gemeindeversammlung 2017 durch, statt einer geforderten Steuererhöhung von acht Prozentpunkten wurde nur eine von vier Prozentpunkten vom Volk angenommen. Mit Folgen für die Gemeindeverwaltung.
Innerhalb eines Jahres sparte der Gemeinderat bei der Verwaltung und strich rund vier Vollzeitstellen, dabei gab es auch Kündigungen. Die Reorganisation ist nun abgeschlossen, das Budget 2019 sieht einen Überschuss vor. Trotzdem zeigte sich auch bei weiteren Entscheiden des Volks im letzten Jahr, dass das Verständnis der Bevölkerung für höhere Gebühren oder Ausgaben nur bedingt vorhanden ist.
Dabei steht die Gemeinde – auch wegen des Wachstums – vor grossen Herausforderungen und Ausgaben. Theodor Hafner, Gemeinderat und FDP-Oensingen-Präsident zählt dabei die geplante Umfahrungsstrasse, mehrere Kreuzungen, das Primar- und möglicherweise das Sekundarschulhaus auf. Man müsse genauer hinschauen als bisher, fordert Hafner.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Oensingen in den nächsten Jahren weiter wachsen wird. So gibt es im Leuenfeld etwa einen weiteren, vorerst kleineren, Ausbauschritt. Sicher ist aber auch, dass neue Projekte unter stärkerer Beobachtung stehen als früher und es wohl auch zu Widerstand kommen wird.