Für Höhlen interessierte sich Sarah Allemann schon als kleines Kind. Mit ihren Eltern besuchte sie zahlreiche «Show-Höhlen», wie beispielsweise die Höllgrotten in Baar. «Die unbekannte Welt mit ihren Tropfsteinen faszinierte mich einfach», bringt sie ihre Leidenschaft auf den Punkt.
Vor zehn Jahren buchte sie ihre erste Höhlentour mit Übernachtung – im Hölloch. Ihren ehemaligen «Puls»-Kolleginnen und -Kollegen, die heute bei «Schweiz aktuell» arbeiten, blieb ihr «Höhlenfieber» nicht verborgen. Und so war bald einmal klar, wer das Höhlenforscher-Team auf der dreitägigen Expedition für «Schweiz aktuell extra» begleiten sollte.
Das Gefühl, an Zahnseide zu hängen
«Auf eine Höhlentour mit Übernachtung muss man vorbereitet sein», sagt Sarah Allemann. Obwohl sie zurzeit nur noch etwa zwei Höhlentouren im Jahr macht, bringt sie die körperliche Fitness mit. Diesen Sommer hat sie das Canyoning für sich entdeckt und verbringt sonst auch gerne Zeit in den Bergen. Auch mental fühlt sie sich in den beengenden Höhlensystemen wohl.
Doch auch Sarah Allemann kennt beklemmende Situationen. Beispielsweise bei einer 111 Meter tiefen Abseilstelle in einer Höhle in der Westschweiz. «In der Höhle ist das einfacher, da man den Boden nicht sieht». Bei gleicher Tiefe im Gebirge hätte Sarah Allemann definitiv Schlotterknie, gibt sie zu.
Dennoch bleibe der Nervenkitzel auch in den dunklen Höhlensystemen nicht aus: «Mich beschleicht beim Abseilen über die für mich magische Grenze von 40 Metern schon ein mulmiges Gefühl. Mit jedem Meter fühlt sich das Seil dünner an, bis man irgendwann das Gefühl hat, an Zahnseide zu hängen.» Auch etwas unbehaglich findet sie besonders enge Stellen. «Es kommt schon vor, dass man Helm und Klettergurt ablegen muss, um vorwärts zu kommen.» In solchen Situationen müsse sie sich jeweils selbst beruhigen.
Blind wie ein Maulwurf
Für die Schönheit der Höhlen lohnen sich solche Situationen aber für Sarah Allemann. So war sie, als sie «Schweiz aktuell» für das Hölloch-Projekt kontaktierte, gleich Feuer und Flamme. Am 21. November stieg sie mit einem sechsköpfigen Team ins längste Höhlensystem der Schweiz. Sie begleitete drei Höhlenforscher, die Akkus einer Wasser-Messstation auswechseln mussten.
Nach sieben Stunden, nochmals so vielen Kilometern und 600 Höhenmetern erreichten sie ihr Nachtlager, das Biwak 77. Praktischerweise ist dieses bereits mit Schlafsäcken und Nahrungsmitteln ausgerüstet. Die älteren Schlafsäcke sind durch die hohe Luftfeuchtigkeit etwas angeschimmelt, die Nahrungsmittel abgelaufen.
«Alles also total spartanisch und ohne jegliche Annehmlichkeiten», beschreibt Sarah Allemann das Nachtlager. Das war für sie aber nicht das Schlimmste: «Ich hatte mehr Mühe mit der Kälte. In der Höhle betrug die Temperatur maximal fünf Grad. Wenn man sich da nicht bewegt, wird es unangenehm.»
Toilette unter Tag
Von den abgelaufenen Nahrungsmitteln liess sie vorsorglich die Finger. Auch wenn die Höhlenforscher diese ohne Probleme zu sich nahmen, zog sie die mitgebrachten Spaghetti der zehnjährigen Schokolade vor. Magenprobleme wollte sie vermeiden, obwohl es in der Nähe des Biwaks eine «Toilette» gibt.
«Über einer mit Steinen abgesteckten Grube hängt ein Seil an einem rostigen Haken. Um das Geschäft zu verrichten, hält man sich – ähnlich wie an den Haltebügeln im Tram – an diesem Seil fest und hofft, dass der Haken hält.» Jedes Mal aufs Neue beeindruckt sie die absolute Dunkelheit: «Man kann sich nicht vorstellen, was ‹dunkel› wirklich ist. Bei uns ist es nie richtig dunkel, auch bei Leermond nicht. Erst in der Höhle sieht man wirklich gar nichts und wäre ohne Licht blind wie ein Maulwurf.»
Zurück ans Tageslicht
Nach zwei Übernachtungen und 72 Stunden – inzwischen hatte Sarah Allemann jegliches Zeitgefühl verloren – erreichte die Gruppe wieder das Tageslicht. «Es fing gerade an, zu dämmern. Neben dem Licht waren die verschiedenen Gerüche für mich das Schönste. Der Geruch in der Höhle ist fast immer gleich. Wenn man aber aus der Höhle kommt, befindet man sich direkt im Wald und riecht Moos, Erde und Blätter. Auch die Geräusche der Vögel geniesse ich dann ganz besonders.»