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Hurghada am Roten Meer Hai-Attacke in Ägypten: Wie ist der Angriff einzuordnen?

Im ägyptischen Badeort Hurghada am Roten Meer ist ein Mann bei einem Haiangriff getötet worden. Das teilte das ägyptische Umweltministerium am Donnerstagabend mit. Im Internet kursiert ein Video des tödlichen Zwischenfalls. Wie ist der Angriff einzuordnen? Alex Smolinsky, Präsident der internationalen Hai- und Artenschutzorganisation Sharkproject, liefert Antworten.

Alex Smolinsky

Präsident «Sharkproject»

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Alex Smolinsky ist Präsident der internationalen Hai- und Artenschutzorganisation Sharkproject. Er ist seit 17 Jahren Mitglied der Organisation und nach eigenen Angaben «begeisterter Haischützer».

SRF News: Was ist zu dem Haiangriff bekannt?

Alex Smolinsky: In dem Video sieht man, wie eine einzelne Person in Küstennähe schwimmt und von einem grossen Haifisch mehrmals angegriffen und unter Wasser gezogen wird. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Tigerhai handelt. Kurz nach dem tödlichen Unfall wurde ein Tigerhai aus dem Wasser gezogen. Auch davon kursieren Bilder.

Haiflosse und spritzendes Wasser
Legende: Der Haiangriff ereignete sich vor Hurghada. Grigory Kataev via REUTERS

Wie haben die Behörden reagiert?

Die Ägypter nehmen solche Vorfälle sehr ernst und reagieren jeweils schnell. Das Land lebt vom Tourismus. Diesmal wurden die Strände für zwei Tage gesperrt, was allerdings eher dazu dienen soll, die Menschen zu beruhigen. Bei solchen Hai-Unfällen arbeiten wir jeweils eng mit den involvierten Behörden zusammen, etwa, um herauszufinden, welche Haiarten involviert waren.

Taucher filmt einen Tigerhai
Legende: Ein Taucher filmt einen Tigerhai. Man geht davon aus, dass ein Tigerhai den Schwimmer am Donnerstag in Hurghada getötet hat. Herbert Futterknecht/Sharkproject

Wieso kommt es überhaupt zu solchen Angriffen?

Haie, die auf Menschenjagd gehen, gibt es nicht. Es führen immer mehrere Faktoren zu einem Haiangriff. Man muss wissen, dass Haie einen stark ausgeprägten Geruchssinn haben. Wenn nun beispielsweise Essensreste von Schiffen ins Meer geworfen werden, Fischer ihren Fang in Küstennähe ausnehmen und die Reste ins Wasser werfen oder Hotelanlagen ihr Abwasser ins Meer leiten, können Haie das riechen. Sie folgen der Geruchsspur. Wenn diese Geruchsspur nun zu einem Schwimmer führt, kann das fatal sein. Denn Tigerhaie fressen normalerweise auch Kadaver, die an der Wasseroberfläche treiben.

Theorie der toten Schafe

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Laut Alex Smolinsky könnte auch eine bevorstehende Pilgerfahrt in Saudi-Arabien etwas damit zu tun haben, dass dieser tödliche Angriff genau jetzt passiert ist. «Es ist uns aufgefallen in den letzten Jahren, dass viele Angriffe auf diese Zeit im Jahr fallen, wenn Nutz- und Schlachttiere über Hurghada nach Saudi-Arabien verschifft werden», erklärt Smolinsky. Für das Fest werden Schafe über das Rote Meer gefahren, tote Tiere landen im Meer. «Das könnte grosse Haie und Aassfresser wie den Tigerhai anlocken.»

In Ägypten wurden seit 2015 fünf Menschen bei Hai-Angriffen getötet. Was können Sie uns zur Häufigkeit dieser Angriffe sagen?

Jährlich sterben weltweit acht bis zehn Menschen durch Haiangriffe. Am häufigsten betroffen sind Speerfischer, Schnorchler und Schwimmer. Da die Zahlen sehr klein sind, ist es schwierig, daraus Schlüsse zu ziehen. Eine Häufung stellen wir nicht fest.

Was wir aber herausgefunden haben, ist, dass manchmal ein und dasselbe Tier für mehrere Angriffe verantwortlich ist. Wie auch bei anderen Tieren gibt es bei den Haien verschiedene Charaktere. Manche sind friedlich, andere greifen an.

Die menschliche Urangst

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Sharkproject versucht laut Präsident Alex Smolinsky, das negativ konnotierte Bild, das Menschen vom Hai haben, zu drehen. «Wir sind von Geburt an so programmiert, dass uns Sachen, die sich schnell bewegen, aber auch Dunkles und Unbekanntes Angst machen. Das verkörpert für uns auch der Hai. Und oft hören wir nur in negativem Kontext von diesen Tieren. Obwohl allein in Europa mehr Menschen von Kühen getötet werden als weltweit von Haien, haben wir keine Angst vor Kühen.»

Weissspitzen-Hochseehai vor einem Boot.
Legende: Tauch-Touristen kommen auch wegen ihm nach Ägypten: dem Weissspitzen-Hochseehai. Für Menschen kann diese Art gefährlich werden. Herbert Futterknecht/Sharkproject

Wie kann ich mein Verhalten im Meer anpassen, um solche Vorfälle zu vermeiden?

Wir empfehlen, in Küstennähe zu bleiben und nicht über die Abbruchkante des Riffs hinauszuschwimmen. Wenn man schwimmen geht, sollte man das in Gruppen tun und eine Schwimmbrille tragen, damit man sieht, was um einen herum passiert. Falls sich ein Hai nähert, sollte man abtauchen und den Hai anschauen. Solange man den Hai im Blickfeld hat, bleibt er auf Abstand. Haie greifen von unten an, nicht von vorne. Es hilft auch, lange, dunkle Hosen zu tragen. Taucher in Anzügen sind für Haie wenig interessant und sie befinden sich mit dem Hai im gleichen Raum. Aber am Ende muss man sich bewusst sein: Das Meer ist nun mal der Lebensraum des Hais.

Organisation zum Schutz der Haie

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Sharkproject ist eine internationale Initiative zum Schutz der Haie und der marinen Ökosysteme. Neben Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu Meeresschutzthemen engagiert sich Sharkproject gemäss Homepage auch für ein globales Umdenken in Bezug auf die Nutzung der Meere, nachhaltige Fischerei, Reduzierung des Beifangs und die Errichtung von Schutzgebieten.

Die Fragen stellten Romana Kayser und Andrée Getzmann.

SRF4 News, 9.6.2023, 10:15 Uhr ; 

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