Überschwemmungen, zerstörte Häuser, ungeheuerliche Winde und vor allem: unglaublich viel Regen. Der Tropensturm «Melissa» hat am Dienstag Jamaika erreicht und dort für eine Katastrophe gesorgt. Auch Todesopfer hat es gegeben. Als nächstes trifft «Melissa» auf Kuba, dort sind bereits 700'000 Menschen evakuiert worden.
Wenn wir Bilder wie jene aus Jamaika sehen, liegt eine Vermutung nahe: Könnte das etwas mit dem Klimawandel zu tun haben?
Wie aussergewöhnlich ist «Melissa»?
«Melissa ist der stärkste Wirbelsturm, den wir in dieser Saison bisher haben», sagt Ulrike Lohmann. Sie ist Klimaforscherin, ihr Spezialgebiet: Wirbelstürme. Sie fügt hinzu: Jamaika ist seit 1850 nicht mehr von einem Tropensturm getroffen worden. Auch das macht ‹Melissa› aussergewöhnlich.»
Warum ist «Melissa» so zerstörerisch?
«Melissa» bewegt sich relativ langsam vorwärts. Und genau das macht diesen Sturm besonders gefährlich. Je langsamer sich ein Sturm wie «Melissa» vorwärts bewegt, desto mehr Wasser regnet es ab.
Im Fall von «Melissa» sind in Jamaika an manchen Orten circa 1000 Millimeter Regen gefallen. Das entspricht 1000 Litern pro Quadratmeter – also ungefähr dem Jahresniederschlag in der Schweiz.
Wirbelstürme und der Faktor Klima
Ein einzelnes Ereignis wie «Melissa» könne man natürlich nie kausal dem Klimawandel zuordnen, sagt Ulrike Lohmann. Aber: Gerade Stürme wie «Melissa» – also die langsamen und besonders zerstörerischen – häufen sich.
Je wärmer der Ozean wird durch den Klimawandel, desto mehr Wasser kann verdunsten. Und dieses verdunstete Wasser ist der Treibstoff für den Hurrikan.
Das hat eine physikalische Ursache: Durch den Klimawandel erwärmen sich die Meere, es verdunstet mehr Wasser, kondensiert in den Wolken – was dort auch stärkere Winde freisetzt. In den Worten von Ulrike Lohmann: «Je wärmer der Ozean wird durch den Klimawandel, desto mehr Wasser kann verdunsten. Und dieses verdunstete Wasser ist der Treibstoff für den Hurrikan.»
Die besonders starken Stürme werden also häufiger. Unklar ist hingegen, ob auch insgesamt mehr Wirbelstürme auftreten. Einige Meteorologen gehen davon aus, dass die Gesamtzahl von Hurrikans eher abnimmt. Ulrike Lohmann ist da vorsichtiger. Sie sagt: Ob tropische Wirbelstürme generell häufiger oder seltener würden, sei momentan noch ungewiss.
Nur ein tropisches Problem?
Den physikalischen Effekt, über den Ulrike Lohmann spricht, gibt es nicht nur in den Tropen. Auch im Mittelmeer bildet sich – im Schnitt alle zwei Jahre – ein sogenannter «Medicane» (ein englisches Schachtelwort aus «mediterranean hurricane»). Vom Aussehen ähneln solche Stürme einem Hurrikan, wobei sie im Vergleich zum Atlantik deutlich kleiner ausfallen.
Überschwemmungen in Korsika 2015 während eines «Medicanes»
Auch in der Schweiz lassen sich mehr heftige Stürme beobachten, als noch vor hundert Jahren, erklärt Ulrike Lohmann, denn dort gelten die gleichen physikalischen Gesetze wie über dem Atlantik oder über dem Mittelmeer. «Das hängt damit zusammen, dass die Temperaturen steigen, dass auch bei uns im Sommer mehr Wasser von den Seen verdunsten kann und dass damit die Wolke mehr Wasser beinhaltet.» Das führe zu starken Schauerniederschlägen, fast wie unter einer Dusche.
Auch wenn die Schweiz nie ein tropischer Wirbelsturm wie «Melissa» heimsuchen wird – ungemütlich könnte es hier trotzdem werden.