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Im Umfrage-Hoch «Ehe für alle»: Pokerspiel mit guten Erfolgschancen

Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche wie für klassische Ehepaare – zum Beispiel bei der Einbürgerung oder bei einer Trennung: Das war ursprünglich das Ziel der Vorlage «Ehe für alle». Doch dann beschloss das Parlament in seiner neuen Zusammensetzung nach den Wahlen 2019, lesbischen Ehepaaren gleich auch zu ermöglichen, mithilfe von Samenspenden Kinder zu bekommen, die dann ab Geburt ganz offiziell zwei Mütter hätten.

Damit ging das Parlament ein Risiko ein. Denn in der Vergangenheit waren die Wogen jeweils hochgegangen, sobald es um Kinder ging. Die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle war damals in der Abstimmung nicht zuletzt mit dem Argument propagiert und angenommen worden, dass es dabei nur um die Beziehung zwischen Erwachsenen gehe, jedoch nicht um Kinder.

Die Stiefkindadoption kam zwar später auch durch, doch damit, so schien es lange, war das Mehrheitsfähige ausgeschöpft.

Bürgerliches Unbehagen

Nun zeigt die erste Abstimmungsumfrage zur «Ehe für alle»: Das Parlament hat mit der Samenspende für lesbische Ehepaare zwar gepokert, aber wohl nicht zu hoch. Die Vorlage ist mehrheitsfähig bis tief ins bürgerliche Lager. Nur die SVP-Basis und freikirchliche Kreise sagen mehrheitlich Nein dazu.

Schaut man bei den Gegenargumenten genauer hin, sieht man allerdings auch, dass es durchaus auch in der bürgerlichen Mitte Unbehagen gibt über die Vorstellung, dass Kinder von Anfang an geplant bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwachsen.

45 bis 49 Prozent der Anhängerschaft der Mitte-Partei und der FDP sind einverstanden mit Gegenargumenten wie jenem, Kinder bräuchten Vorbilder von beiden Geschlechtern, die Samenspende für lesbische Paare verwehre ihnen jedoch per Gesetz den Vater.

Am Puls der Bevölkerung?

Unter dem Strich überwiegt aber auch in diesen skeptischeren Kreisen das Bedürfnis, gleichgeschlechtliche Paare gleichzustellen. Das ist das Argument, das zurzeit mit grossem Abstand am wichtigsten ist für den Stimmentscheid aller Befragten. Den zweitstärksten Einfluss auf die Stimmabsicht hat ebenfalls ein Argument aus dem Ja-Lager: Zuwendung und Fürsorge seien keine Frage der Familienform. Darum sollten auch gleichgeschlechtliche Ehepaare Kinder gemeinsam adoptieren dürfen.

Bleibt es bei dieser Haltung, hat das Parlament mit seinem Entscheid, die Samenspende für lesbische Ehepaare zu ermöglichen, feine Antennen für die Stimmung in der Bevölkerung bewiesen.

Nathalie Christen

Bundeshausredaktorin

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Christen ist Korrespondentin im Bundeshaus für Fernsehen SRF. Sie arbeitet seit 2002 für SRF. Unter anderem leitete sie die Bundeshausredaktion von Radio SRF und war Produzentin bei der «Arena». Zuvor war sie Bundeshausredaktorin beim «SonntagsBlick».

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