Seine Reden werden immer noch zitiert, Gebäude auf der ganzen Welt sind nach ihm benannt: John F. Kennedy, einer der mythologisiertesten US-Präsidenten, wäre heute 100 Jahre alt geworden. US-Amerikaner fragen sich noch immer: Was wäre gewesen, wenn? Was hätte Kennedy erreichen können, wäre er nicht 1963, nach gerade einmal 1000 Tagen im Amt, in Dallas erschossen worden?
Wäre das Land Kennedys Vision gerecht geworden? Der Vision eines Manns, der sich in einer Zeit für Demokratie und Weltfrieden einsetzte, in der sich die Welt an der Schwelle zu einem Atomkrieg befand. SRF News hat bei USA-Kenner Martin Kilian nachgefragt.
SRF News: Welches Bild haben US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner von John F. Kennedy heute?
Martin Kilian: Immer noch ein sehr positives, obwohl seine Amtszeit schon lange zurück liegt. Man sieht es an den Feiern, die an seinem Geburtstag abgehalten werden. Die Ikone Kennedy strahlt heute seltsamerweise noch genau so wie zu seinen Lebzeiten. Da ist natürlich eine Menge Nostalgie dabei, vielleicht auch der Kontrast zur Gegenwart. Aber: Die Erinnerung lebt, Kennedy wird auch heute noch fast vergöttert.
Kennedy galt als weltoffen, fast schon ein Gegenentwurf zum heutigen US-Präsidenten Donald Trump. Hätte er heute immer noch diesen Erfolg?
Das bezweifle ich. Kennedy hätte heute kaum mehr einen solchen Erfolg. Natürlich gab es auch damals Streitpunkte zwischen Demokraten und Republikanern, etwa um die Rassentrennung im Süden. Aber das Land war bei weitem nicht so gespalten wie heute. Man hat damals Lösungen über die Parteigrenzen hinweg gesucht. Heute ist das kaum noch vorhanden. Wir haben in Washington eine derart polarisierte Politik: Selbst ein Halbgott wie Kennedy würde heute nicht mehr das ausrichten können, was er damals hat ausrichten können.
In Kennedys Amtszeit fiel ja auch die Kuba-Krise. Es drohte ein Atomkrieg mit Russland. Es heisst, Kennedy habe einen dritten Weltkrieg verhindert. Trifft das zu?
Irgendwie schon. Er hat ihn verhindert, indem er mit Augenmass und mit klugen Beratern in die Krise reingegangen ist. Wir sind damals meines Erachtens knapp an einem atomaren Krieg vorbeigeschrammt. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie die Kuba-Krise heute bewältigt werden würde, wie Trump damit umgehen würde. Ich bin eher pessimistisch.
Kennedy wurde nach nur 1000 Tagen im Amt ermordet. Führt das nicht auch zu einer gewissen Verklärung, weil man nicht weiss, was er noch erreicht hätte?
Das denke ich schon. Hätte Kennedy zwei volle Amtszeiten geleistet, hätten sich Abnützungserscheinungen eingestellt, die wir bei jedem Präsidenten sehen. Ausserdem wäre die Verklärung Kennedys weniger gross ausgefallen. Erstaunlich ist, dass ihm selbst die Skandale um seine ausserehelichen Beziehungen nur wenig anhaben konnten. Aber wäre er acht Jahre im Amt gewesen, dann wäre die Erinnerung an ihn wohl durch einige nicht so schöne Dinge eingefärbt worden.
Das Interview führte Roger Aebli.